Russland setzt auf Privatisierungen

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Der Staat braucht Geld. Der teilweise Verkauf von Staatsfirmen soll daher helfen. Die Regierung will Minderheitsanteile an zehn bedeutenden Staatskonzernen veräußern und dabei knapp 900 Mrd. Rubel einspielen

Moskau. Geldnot und anhaltendes Budgetdefizit veranlassen Russland offenbar, die zweitgrößte Privatisierungswelle seit dem Ende der Sowjetunion durchzuziehen. Die Regierung wolle in den kommenden Jahren Minderheitsanteile an zehn bedeutenden Staatskonzernen veräußern und dabei knapp 900 Mrd. Rubel (etwa 23 Mrd. Euro) einspielen, berichtete die Agentur Reuters am Wochenende unter Verweis auf das russische Finanzministerium. Mit dem Geld solle das Budgetdefizit auf vier Prozent des Bruttoinlandsproduktes gedrückt werden. Premier Wladimir Putin habe den Plan gebilligt. Sein Sprecher Dmitri Peskow nahm dazu keine Stellung.

Seit Längerem im Gespräch

Dass Russland sich von Teilen seines Tafelsilbers trennen würde, wird seit dem Vorjahr diskutiert. Putin hatte damals die Privatisierung „einen der Schlüsselmomente für Strukturreformen“, sein Vize Igor Schuwalow die Zahl von 5500 Betrieben genannt. Bei den zehn Großkonzernen, die sich auf der jetzigen Planliste befinden, handelt es sich jedoch um wahre Größen ihrer Branche.

Demnach stehen 9,3 beziehungsweise 24,5 Prozent der beiden größten Banken des Landes, Sberbank und Vneschtorgbank (VTB), zum Verkauf. Am landesweit größten Ölförderer Rosneft soll sich der Staat von 24,2 Prozent trennen, am Ölpipeline-Monopolisten Transneft von 27,1 Prozent. Bei der Bahngesellschaft RZhD, mit über einer Million Mitarbeitern der weltweit größte Konzern, stehen 25 Prozent minus einer Aktie zum Verkauf. Auch bei einer Reederei, Wasserkraftwerks- und Stromnetzbetreibern will sich der Staat demnach von Anteilen trennen. Die strategische Mehrheit soll jedoch immer behalten werden.

Mit dem Privatisierungsschritt würde Russland mit der Tendenz des vergangenen Jahrzehnts, die staatliche Präsenz in der Wirtschaft kontinuierlich auszudehnen, brechen. Mit Putin hatten vor zehn Jahren jene Kräfte Oberhand gewonnen, die einem dirigistischen Modell das Wort redeten und vor allem jene Oligarchen an die Kandare nahmen, die sich im Zuge der ersten Privatisierungswelle zu Beginn der 1990er-Jahre staatliche Betriebe unter den Nagel gerissen und damit auch das Sagen im Staat erkauft hatten.

Ära Jelzin – Ära der Oligarchen

Aufgrund der Machtkonzentration in den Händen weniger Reicher bei gleichzeitiger Verarmung breiter Schichten hatte das Volk die Privatisierungen nur widerwillig hingenommen und unterstützte daher Putins Teilrevision der einstigen Deals. Zum Symbol dafür wurde die Inhaftierung des ehemals reichsten Russen Michail Chodorkowsi im Jahr 2003 und die Zerschlagung seines Ölkonzerns Yukos, mit dessen Einverleibung schließlich Rosneft zum größten Ölkonzern des Landes aufstieg.

Die jetzige zweite Privatisierungswelle verdankt sich zum Teil der Einsicht, dass staatliche Betriebe gerade in Russland weitaus ineffizienter arbeiten als private. Vor allem aber scheint sie sich dem Umstand zu verdanken, dass der Staat Geld braucht. Die Krise hatte Russlands Wirtschaft 2009 einen Abschwung von 7,9 Prozent beschert und zum ersten Mal seit zehn Jahren ein Loch in das Budget gerissen.

Dieses wird auch weiter anhalten. Kann es bis zu Beginn des nächsten Jahres mit dem angesparten Reservefonds gestopft werden, so braucht es fortan andere Geldquellen. Für den Herbst werden daher heiße Steuerdebatten erwartet. Neben der Erhöhung der Abgaben auf Alkoholika, Rauchwaren und Benzin stehen eine Luxussteuer und höhere Fördersteuern für Öl, Kupfer, Nickel und Gas ins Haus.
Meinung, Seite 23

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2010)

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