Neue Behörde

Wenn Polizisten in Verdacht geraten

Nicht jede Festnahme (im Bild: eine Polizei-Übung in Nickelsdorf) verläuft so, wie man das in der Polizeischule lernt.
Nicht jede Festnahme (im Bild: eine Polizei-Übung in Nickelsdorf) verläuft so, wie man das in der Polizeischule lernt. (c) APA/ROBERT JAEGER
  • Drucken

Misshandlungsvorwürfe gegen Polizisten sollen künftig in einer eigenen Dienststelle geklärt werden. Wie dies klappen könnte, weiß der Ex-Chef der „Internen“, Martin Kreutner.

Wien. In diesem Punkt verspricht das türkis-grüne Regierungsprogramm besonders viel: Eine eigene Behörde soll es geben für „konsequente und unabhängige Ermittlungen bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibeamte“. Eine solche ist angesichts wiederkehrender Vorwürfe – nun tauchte ein Prügelpolizei-Video auf (siehe Artikel unten) – auch notwendig.

Doch der Plan der Bundesregierung zur Ausgestaltung der neuen Dienststelle liest sich so, als wolle man die Quadratur des Kreises versuchen. Die Behörde soll „in multiprofessioneller Zusammensetzung“ agieren, „von Amts wegen“ ermitteln, als „Beschwerdestelle für Betroffene“ fungieren „und mit polizeilichen Befugnissen ausgestattet“ sein. Klar ist: Die Polizei hält das Gewaltmonopol. Nicht-Polizisten (Stichwort: „multiprofessionell“) mit Machtbefugnissen der Exekutive auszustatten, wäre ein rechtsstaatlich kühnes Unterfangen. Sollen hingegen – völlig „unabhängig“ – Polizisten gegen Polizisten ermitteln, könnten Parallelstrukturen entstehen.

„Die Presse“ befragte Martin Kreutner. Der Tiroler Jurist leitete von 2001 bis 2010 das im Innenministerium angesiedelte Büro für interne Angelegenheiten, BIA. Ebendort forcierte er Ermittlungen bei mutmaßlichen Verfehlungen von Beamten und setzte einen Anti-Korruptions-Schwerpunkt. Das BIA wurde 2010 in das damals neu entstandene Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) übergeführt. Kreutner, der als BIA-Chef vor allem von der seinerzeitigen Regierungspartei FPÖ angegriffen worden war, übernahm (bis 2019) die Leitung der Anti-Korruptions-Akademie in Laxenburg (IACA).

Zur Behörden-Neugründung meint er: „Sofern man die bestehende verfassungsrechtliche Systematik nicht ändern, andererseits aber komplizierte Doppelstrukturen vermeiden und konsequente Erhebungen sicherstellen will, wird man an der Einbindung einer Einrichtung mit echter Polizei-Qualität nicht vorbeikommen.“

Der Status quo

Mit anderen Worten propagiert Kreutner „eine unabhängige polizeiliche Ermittlungsdienststelle“. Dieser müsse man auf die Finger schauen: „Als Kontrollorgan könnte eine Kommission der Rechtsschutzbeauftragten dienen.“

Wie ist das derzeit? Gibt es so eine Behörde denn nicht? Eigentlich schon. Bei Vorwürfen gegen Polizeibeamte landet die jeweilige Anzeige im zuvor erwähnten BAK, dort ist ein Referat für interne Angelegenheiten eingerichtet. Dieses sei aber überlastet, also unterbesetzt, sagt ein BAK-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte. Jedenfalls wird ein Großteil der einlangenden Misshandlungsanzeigen – 2019 gab es 317 (2018: 328) – an die Polizeidienststellen der Bundesländer delegiert.

Im Falle des nun aufgetauchten Videos, das zeigt, wie zwei Beamte in Wien-Favoriten einen 28-jährigen Tschetschenen schlagen und treten, will das – übrigens nicht weisungsfreie – BAK vorerst höchstselbst zu Werke gehen. Da es in Wien (und nur hier) innerhalb der Landespolizeidirektion ein eigenes Referat für interne Angelegenheiten gibt, dürfte auch dieses eingebunden werden.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

BESUCH EINER POLIZEISTATION NACH FAVORITEN-UNRUHEN: NEHAMMER / RAAB
Polizeigewalt

Wiener Polizisten prügeln Mann: Anzeige von Spital lag ein Jahr auf Eis

Ein Video bringt die Wiener Polizei in Erklärungsnot. Das Verhalten der acht Polizisten, die einen Mann misshandelt haben sollen, sei „absolut inakzeptabel“, sagt Innenminister Nehammer.
Polizeigewalt

Acht Wiener Polizisten nach Misshandlungs­vorwurf suspendiert

Wegen eines kürzlich aufgetauchten Videos wurden acht Polizisten vom Dienst suspendiert. Die Aufzeichnung von Jänner 2019 zeige, wie ein 28-jähriger Mann geschlagen wird.
GRENZSCHUTZ-UeBUNG NICKELSDORF:POLIZEI UND BUNDESHEER UeBEN GEMEINSAM
Exekutive

Drei suspendierte Polizisten bei 350 Misshandlungs­vorwürfen

Nur selten haben Anzeigen gegen Polizisten auch Konsequenzen für die Beamten. Die Regierung will im Herbst eine eigene Beschwerdestelle einrichten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.