Polizeigewalt

Wiener Polizisten prügeln Mann: Anzeige von Spital lag ein Jahr auf Eis

BESUCH EINER POLIZEISTATION NACH FAVORITEN-UNRUHEN: NEHAMMER / RAAB
BESUCH EINER POLIZEISTATION NACH FAVORITEN-UNRUHEN: NEHAMMER / RAABAPA/ROLAND SCHLAGER
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Ein Video bringt die Wiener Polizei in Erklärungsnot. Das Verhalten der acht Polizisten, die einen Mann misshandelt haben sollen, sei „absolut inakzeptabel“, sagt Innenminister Nehammer.

Die Inszenierung war wohl eigentlich anders geplant: Der Besuch von Innenminister Karl Nehammer und die Integrationsministerin Susanne Raab in einer Polizeinspektion in Favoriten hätte nach den Ausschreitungen bei Demos im anlaufenden Wien-Wahlkampf symbolträchtige Bilder liefern sollen. Über Nacht änderte sich freilich der Brennpunkt: Am Donnerstag tauchte via "Kronen Zeitung" ein Video auf, das Polizisten beim mutmaßlichen Misshandeln eines Mannes in einem Spiellokal - angeblich noch dazu ausgerechnet in Favoriten - zeigt. Acht Beamte wurden inzwischen vorläufig suspendiert.

Die derzeitigen Informationen ließen nur einen Schluss zu, meinte Nehammer: "Dieses Verhalten ist absolut inakzeptabel." Die Dienstbehörde habe rasch reagiert. Er appelliere nur, dass sich das "Fehlverhalten einiger weniger" nicht negativ auf alle Polizisten auswirken dürfe. Der Innenmister sicherte denn auch jenen Polizisten, die sich an das Gesetz halten und für Sicherheit sorgen, "vollen Rückhalt" zu.

Amtshandlung nicht dokumentiert

Dass sich jene acht Polizisten nicht an das Gesetz gehalten haben, scheint naheliegend. So haben sie die Amtshandlung im Jänner 2019 nicht einmal dokumentiert, sagte der Wiener Vizepolizeipräsident Franz Eigner am Freitag. "Das wirft Fragen auf."

BESUCH EINER POLIZEISTATION NACH FAVORITEN-UNRUHEN: NEHAMMER / RAAB
BESUCH EINER POLIZEISTATION NACH FAVORITEN-UNRUHEN: NEHAMMER / RAABAPA/ROLAND SCHLAGER

Auf dem Video dürften Polizeibeamte einen 28-jährigen Tschetschenen in einem Lokal schlagen, obwohl dieser keine Gegenwehr leistet. Passiert sind die Gewalttätigkeiten laut Eigner im Zuge einer Schwerpunktkontrolle im Bereich des illegalen Glücksspiels. Zwei Personen hätten in dem Spiellokal in einem abgesonderten Raum gespielt, einer davon war der Tschetschene. Bei der Ausweiskontrolle sei es offenbar zu einer Auseinandersetzung gekommen, schließlich sei ein Streit entbrannt, weil die Beamten das Handy des Mannes nicht entsperren konnten, woraufhin es zu den Gewalthandlungen kam. Ein Verhalten, "das von uns in keiner Weise toleriert wird", betonte Eigner.

Der Betroffene begab sich laut Eigner nach dem Vorfall ins Krankenhaus, das auch Anzeige erstattete. Der Tschetschene habe ein Hämatom und Hautabschürfungen erlitten und klage außerdem bis heute über Schmerzen im Bauchbereich und beim Kiefer.

Anzeige ein Jahr später bearbeitet

Bis der Anzeige des Krankenhauses vom Jänner 2019 nachgegangen wurde, dauerte es jedenfalls ungewöhnlich lange: Erst im Dezember 2019, also fast ein Jahr später, wurden zwei Beamte zu dem Vorfall befragt. Sie gaben an, sich an keine Details erinnern zu können. Nicht nur, dass die Amtshandlung nicht dokumentiert wurde, sondern auch warum der Weg der Anzeige so lang war, sei zu recherchieren, meinte Eigner.

Das Video, das die polizeiliche Gewalt dokumentiert, stammt aus Überwachungskameras aus dem Lokal. Es wurde nicht amtlich sichergestellt, sondern vom Tschetschenen beigebracht, wie der Vizepolizeipräsident einräumte. Da der Mann überzeugt gewesen sei, dass es aus dem Lokal ein Video geben müsse, habe der Tschetschene die Tage und Wochen nach der erlittenen Gewalt versucht, an das Material zu kommen und es schließlich per Whatsapp bekommen, erklärte Eigner. Weil der Tschetschene sich längere Zeit in Dubai aufgehalten hat und erst vor einem Monat zurückgekommen ist, hat er das Video erst jetzt der Polizei übergeben.

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Wien Ermittlungen gegen die beteiligten Beamte aufgenommen. Wie Behördensprecherin Nina Bussek am Freitag mitteilte, läuft ein Verfahren wegen Körperverletzung, allenfalls zusätzlich wegen Amtsmissbrauchs. Befragt wurden die Polizisten noch nicht.

Ein weiterer Beamter suspendiert

Pikant war auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung des Videos: Nur einige Stunden zuvor war eine Bilanz des Innenministeriums veröffentlicht, wonach innerhalb der vergangenen drei Jahre nur drei Polizisten bei 350 Misshandlungsvorwürfen mit internen Folgen zu rechnen hatten.

Aktuell sind wegen Misshandlungsvorwürfen neun Polizisten vorläufig außer Dienst gestellt. Abgesehen von den acht Beamten wurde Anfang Juni ein Polizist suspendiert, nachdem er einem Obdachlosen ein mit Pfefferspray versetztes Tuch ins Gesicht gerieben hatte.

(APA)

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