Soul und Pop

Lianne La Havas: Ein Manifest des Bittersüßen

(c) Warner Music
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Die Britin Lianne La Havas beherrscht den schmalen Grat zwischen Soul und Pop ähnlich souverän wie Sade. Im dritten, selbstbetitelten Album verwandelt sie persönliche Tiefs in künstlerische Hochs.

Überraschend ungeniert gähnte die sonst so stilvolle Sängerin in ihre Handykamera. Sie zeigt noch ihre hintersten Backenzähne (unplombiert!). Der Zoom-Video-Call, der derzeit wegen der Pandemie bei internationalen Musikerinterviews bemüht wird, ist ein seltsames Medium. Egal, ob man die klassische Wohlfühlfrage platziert oder Spitzfindiges erörtern will, Bild und Ton laufen nicht selten markant auseinander. Im Falle der britischen Soul-Pop-Sängerin La Havas schon bei der ersten Frage, die, obwohl aufgelegt, wie eine Majestätsbeleidigung ankommt. In den Linernotes ihres nach fünf Jahren Pause endlich erschienenen dritten Albums, schrieb sie davon, dass sie ihren Mut verloren, zuletzt aber wiedergewonnen hätte. „This is the album I've always wanted to make. Thank you for this 49 minutes, forever <3“ jubelt sie in den Linernotes.

Kreative Pause. Auf diese Phase der Kraftlosigkeit angesprochen, reagiert sie, trotz angestrengter froher Miene, säuerlich. Um Zeit zu gewinnen, wandert sie mit dem Handy in die Küche, schaltet die Kaffeemaschine ein, bevor sie antwortet. „Der neue, kreative Prozess hat mich wieder auf Schiene gebracht. Es war das erste Mal, dass ich ein Album komplett mit meiner Band selbst produziert habe. Alle künstlerischen Entscheidungen sind meine eigenen. Die Lieder auf ,Lianne La Havas' klingen ungeschützter als alles, was ich davor gemacht habe.“

Das mag sein, insgesamt fehlt aber die Geschlossenheit, die etwa den Vorgänger „Blood“ ausgezeichnet hat. Das neue Album hat grandiosere Highlights, aber auch Momente der Schalheit, wie es sie am von Profis wie James Epworth und Jamie Lidell produzierten Vorgänger nicht gegeben hat. „Seven Times“ ist so ein Moment, der Lidschwere auslöst. Der erste Song „Bittersweet“ ist allerdings ein grandioser Anlaut. Es ist der wohl vielschichtigste Song, der La Havas bislang gelungen ist. Ins nachgerade magische Szenario führt ein markantes Klavier- und Bass-Sample des Isaac-Hayes-Songs „Ike's Rap Pt. III“. Es stammt von dessen epochalem Album „Black Moses“ von 1971, das schon Portishead für ihren Hit „Glory Box“ abgegrapscht haben.

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