Es geht um die Frage: Wie nimmt eine Gruppe ihre Verantwortung gegenüber den Mitmenschen wahr? Chorprobe, Pandemie-gerecht.

Gefahr Chorgesang?

Die Angst vor dem Virus ließ die Chorszene erstarren. Singen wurde als gefährlich stigmatisiert. Studien freilich zeigen, dass Singen nicht gefährlicher als Reden oder Sporteln ist. Es kommt vor allem darauf an, wie man es macht. Bericht aus der Praxis.

Der vergangene Samstag war ein denkwürdiger Tag: Im Haydnsaal des Schlosses Esterházy in Eisenstadt (und tags darauf in der Stiftskirche Herzogenburg) wurde erstmals nach fünf Monaten des Corona-Lockdowns ein großes Chor-Orchester-Werk aufgeführt. Joseph Haydns Oratorium „Die Jahreszeiten“, dargebracht vom Chor Ad Libitum und dem Originalklangorchester Barucco, durchbrach eine Stille, die rund 150 Tage gedauert hatte – eine Zeit, in der groß besetzte Musik nicht erklingen konnte, eine Stille, die beinah daran zweifeln ließ, dass sich Österreich wirklich als Kulturnation begreift. „Kunst braucht den Menschen, sonst stirbt sie“, meint dazu der Leiter der beiden Aufführungen, Heinz Ferlesch. „Singen wurde und wird in den Medien seit Monaten zur Gefahr schlechthin gemacht“, ärgert er sich. „Dabei geht es nicht um die Frage: Was macht eine Gruppe von Menschen? Es geht vielmehr um die Frage: Wie nimmt eine Gruppe ihre Verantwortung gegenüber den Mitmenschen wahr?“

Dass man mit einem ausgeklügelten Hygienekonzept und mit klaren Verhaltensregeln verantwortungsvoll mit dem Risiko durch Covid-19-Viren umgehen kann, haben Ferlesch und seine rund 70 Mitmusikerinnen und Mitmusiker nun eindrucksvoll bewiesen. „Wir spielen die Gefahr von Corona nicht herunter. Ganz im Gegenteil: Wir nehmen das sehr ernst und handeln entsprechend.“ So wurden bei den Konzerten alle behördlichen Vorgaben eingehalten, teilweise sogar übererfüllt: Beim Betreten und Verlassen der Räumlichkeiten galt Maskenpflicht, der Mund-Nasen-Schutz durfte erst am zugewiesenen Sitzplatz abgenommen werden. Alle Plätze hatten den erforderlichen Mindestabstand zum Nachbarn, beim Eingang war eine Desinfektion der Hände obligatorisch. Die Pause war überlang, ein Ordnerdienst sorgte für ein ruhiges Verlassen der Räumlichkeiten. Auf Formularen, die auf jedem Sitzplatz (samt neuem Kugelschreiber) bereitlagen, wurden die Konzertgäste gebeten, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen – zwecks „Tracing“ im Fall des Falles. Ein ähnliches Bild auf der Bühne und im Altarraum: Zwischen allen Musizierenden herrschte der gesetzliche Mindestabstand. Der Chor war schachbrettartig aufgestellt, der Auftritt erfolgte mit Mund-Nasen-Schutz, der erst nach erfolgter Aufstellung abgelegt wurde.

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