Burna Boy

Hier ist Afrika das Weltzentrum

„African Giant“ hieß sein viertes, weltweit erfolgreiches Album, „Twice As Tall“ heißt sein neues: Damini Ogulu alias Burna Boy, geboren 1991 in Lagos, nennt seine Musik Afro-Fusion.
„African Giant“ hieß sein viertes, weltweit erfolgreiches Album, „Twice As Tall“ heißt sein neues: Damini Ogulu alias Burna Boy, geboren 1991 in Lagos, nennt seine Musik Afro-Fusion.(c) Warner
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Er möge keine Politik, erklärt der Nigerianer Burna Boy auf seinem neuen Album. Doch dieses ist ein beredtes Zeugnis des neuen afrikanischen Selbstbewusstseins im Pop.

„Why dem wanna drag me under, I must be a special type of broda“, mutmaßt Burna Boy in „Alarm Clock“. Ein ganz spezieller Bruder ist er tatsächlich. Und vor ein paar Jahren wurde er vom kanadischen Erfolgsrapper Drake über den Tisch gezogen: Dieser lud ihn zu Sessions ein, verwendete auch einige Aufnahmen, bedachte ihn aber nicht mit Copyrights. Einen bitteren Nachgeschmack spürte Burna Boy auch nach seinem Auftritt bei der bereits legendären Coachella-Show 2018 von Beyoncé: Er fühlte sich dazu instrumentalisiert, die Glaubwürdigkeit der stark von ihren afrikanischen Wurzeln entfremdeten amerikanischen Kollegin zu sichern.

Tatsächlich kommt es nicht selten vor, dass schwarze US-Künstler junge Kollegen aus der sogenannten Dritten Welt anzapfen und ihnen recht frech Ideen und Copyrights stehlen. Doch das Internet wirkt diesem Nord-Süd-Gefälle entgegen: Er bewirkt, dass der Herkunftsort nicht zum permanenten Nachteil wird. So kommen heutige globale Superstars des Pop oft aus Regionen, die einst nur für „Weltmusik“ standen. Etwa J Balvin aus Kolumbien oder Bad Bunny aus Puerto Rico, das zwar zu den USA gehört, aber de facto ein Entwicklungsland ist.

Burna Boy kommt aus Nigeria, wo seit Jahrzehnten autochthone Musikformen mit amerikanischen Stilen wie Funk, Jazz und Disco gemischt wurden. Etwa von Fela Kuti, dem Erfinder des Genres Afrobeat, der in den Siebzigerjahren zum Weltstar wurde. Mittlerweile hat ihn Burna Boy an Popularität überholt: „Twice As Tall“, das fünfte Album des 29-Jährigen, wurde bereits in der ersten Stunde nach Veröffentlichung im Netz fünf Millionen Mal gestreamt.

Burna Boy träumt darauf von einem vereinigten Afrika. Und von einer ganz speziellen Identitätspolitik, wie er im jazzigen Intro der Afrobeatnummer „Alarm Clock“ ausführt: „God made us. He made the magical beings. It's important how you look at yourself, how you look at your brother, how you look at your sisters. We're from the same tribe. It's black love. It's that real love. Wake up.“ Die US-Schwarzen hält er für Ignoranten: Sie hätten ihre „knowledge of self“ verloren, meinte er kürzlich, er wolle sie mit seiner Kunst „heimbringen“.

Afrika als Urheimat: Das Motiv klang schon auf „Survival“, der Schlussnummer seines letzten Albums „African Giant“, an, gesungen in einer Mischung aus Yoruba und Pidgin English. Am Ende des Lieds hörte man eine Frau über die Motive des Sängers spekulieren: Er wolle wohl sagen, dass alle Schwarzen Afrikaner waren, bevor sie irgendetwas anderes wurden.

Zurück ins alte Ägypten

Afrozentristische Ideen haben eine große Tradition in der schwarzen Musik. Die Freejazzer John Coltrane und Pharoah Sanders rückten ein mythisch erhöhtes Afrika ins Zentrum ihrer Sehnsüchte; Sun Ra projizierte seine Vorstellung eines „Ancient Africa“ auf den Saturn, weil eine Umsetzung auf Erden unrealistisch schien; James Mtume interpretierte auf „Alkebu-Lan – Land of the Blacks“ das alte Ägypten als erste Hochkultur der Schwarzen. Der zeitgenössische Saxofonist Shabaka Hutchings bezieht sogar seinen Künstlernamen von einem Pharao: dem Nubier Shabaka, der um 700 v. Chr. regierte. Aufs alte Ägypten berief sich auch die US-Hip-Hop-Formation X-Clan, von der Hutchings sich inspirieren ließ.

Gastauftritt: Naughty By Nature

Andere Hip-Hop-Legenden präsentiert Burna Boy auf seinem neuen Opus: Naughty By Nature rappen frohgemut auf einem Track, in dem Burna Boy sich von der Politik distanziert: „See me no be politician. Me no like no politics.“ Doch selbst eine „Burna Party“, die vordergründig auf Eskapismus setzt, ist nicht ganz ohne Message. Und wenn sie nur musikalisch ist, wie die Idee einer Integration möglichst vieler afroamerikanischer Sounds in einem Song. Afro-Fusion nennt Burna Boy das.

Das düster groovende „Monsters You Made“ gäbe eine gute Hymne für Black Lives Matter ab. Darin kommt Ama Ata Aidoo, 78-jährige Feministin aus Ghana, zu Wort: Im Sample aus einem TV-Interview beklagt sie die üblen Folgen des Kolonialismus. Ein anderer Überraschungsgast darf den Refrain der Nummer singen: der milchweiße Coldplay-Sänger Chris Martin. Er begibt sich in die Rolle eines zornigen Schwarzen: „Calling me a monster, calling us fake, you make the minotaur, the dinosaur wake.“ Ein leicht absurder, aber glücklicher Moment – so wie das Pat-Boone-Sample in „Level up“. Mit dessen Zeilen „I'd have to be twice as tall at least to feel better than I do“ können wohl Zornige jeglicher Hautfarbe etwas anfangen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2020)

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