Analyse

Montenegros „Zar“ Milo Djukanović in Bedrängnis

Ein Mitglied der Sozlalistischen Partei DPS hält ein Plakat von Präsident Milo Djukanovic.
Ein Mitglied der Sozlalistischen Partei DPS hält ein Plakat von Präsident Milo Djukanovic. REUTERS
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Vor der Parlamentswahl am Sonntag ist die Regierungspartei von Präsident Djukanović in Umfragen unter die 40-Prozent-Marke gerutscht. Doch ein Machtwechsel im korrupten System bleibt unwahrscheinlich.

Schweißperlen stehen Montenegros höchstem Wahlkämpfer über den Lippen. „Von euch hängt es ab, ob Montenegro seinen Weg in eine europäische Zukunft fortsetzt, oder ob ein Staatskonzept obsiegt, in dem die Kirche mit ihrem mittelalterlichen Dogma das Sagen hat“, ermahnt Staatschef Milo Djukanović in der Hauptstadt Podgorica vor der Parlamentswahl am Sonntag sein maskiertes Publikum: „Es geht darum, ob Montenegro vorwärts oder rückwärts geht!“
Montenegros 58-jähriger Präsident ist seit Jahrzehnten immer oben. Die Berliner Mauer stand noch, als der damals 26-jährige Ökonom Anfang 1989 die Führung in Montenegros Bund der Kommunisten übernahm. 1991 rutschte „Rasiermesser“ Djukanovic zum ersten Mal als Premier auf die Regierungsbank des damals noch jugoslawischen Teilstaats – und hält seitdem im seit 2006 unabhängigen Montenegro fest die Zügel in der Hand. Egal, ob als Regierungs-, Staats- oder Parteichef: Schon seit drei Jahrzehnten teilt Zar Milo im Land der Schwarzen Berge die Karten aus.
Doch bei der Parlamentswahl am Sonntag könnte es für seine DPS knapp werden. Laut Umfragen droht die Partei unter die 40-Prozent-Marke zu sacken. Die beiden größten Oppositionsblöcke der prorussischen, von der serbischen Minderheit dominierten Demokratischen Front und des prowestlichen Frieden-Bündnisses könnten gemeinsam auf mehr Stimmen als die DPS kommen.

„Hybrides Regime“

Es sind nicht nur die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und die verhagelte Tourismussaison, die der von DPS-Premier Duško Marković geführten Regierung zu schaffen machen. Mafia-Machenschaften, Korruption und die Gängelung der Pressefreiheit haben den Djukanović-Clan trotz Nato-Beitritts auch im Westen in Misskredit gebracht. Statt als Demokratie stuft die US-NGO Freedom House den EU-Anwärter Montenegro als „hybrides Regime“ ein.
Auch um von der misslichen Wirtschaftslage abzulenken und um die eigene Wählerklientel mit nationalen Tönen zu mobilisieren, hat Djukanović den Streit mit der serbisch-orthodoxen Kirche um deren Liegenschaften forciert. Ob die Rechnung aufgeht, muss sich weisen: Die starke serbische Minderheit, die fast ein Drittel der Bevölkerung ausmacht, dürfte dieses Mal zum Großteil für die Demokratische Front stimmen.

Erweiterung der Koalition

Doch trotz absehbarer Stimmeneinbußen ist ein Machtverlust der DPS keineswegs gewiss. Einerseits kontrolliert die Regierungspartei die aufgeblasenen Wahllisten, mit denen sich Urnengänge auf dem Balkan immer leicht manipulieren lassen. Andererseits dürfte das Heer der Staatsdiener erneut zur Wahl der Regierungspartei genötigt werden.
Statt mit einem Machtwechsel wird in Podgorica denn auch eher mit der Erweiterung der bisherigen Koalition gerechnet.

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