Frankreichs Präsident macht bei Besuch Druck. Geld soll nur fließen, wenn der korrupte Proporz ein Ende hat. Doch die alte Elite nominiert ungerührt einen Premier.
Emmanuel Macron sparte nicht mit düsteren Warnungen. Der Libanon riskiere einen erneuten Bürgerkrieg, wenn er in dieser Krise allein gelassen werde, mahnte der französische Präsident. Vier Wochen nach der Megaexplosion im Hafen reiste er am Montagabend zum zweiten Mal nach Beirut, um der herrschenden Klasse erneut ins Gewissen zu reden. Vorab ließ er der libanesischen Staatsspitze ein zweiseitiges Reformkonzept zustellen, das ein Ende des konfessionell-politischen Proporzsystems, einen Kassasturz der Staatsfinanzen und eine Generalreform des Bankensektors fordert.
Der Staatschef der einstigen Kolonialmacht Frankreich plädiert für eine radikale Zäsur im Libanon – eine überkonfessionelle Regierung mit zeitlich begrenzten Sondervollmachten sowie Neuwahlen innerhalb eines Jahres. Sonst bleiben die internationalen Milliarden für den Wiederaufbau gesperrt. „Es gibt keine Blankoschecks“, erklärte Macron. Bisher erhielt der Libanon lediglich eine Nothilfe von 250 Millionen Euro, um für die nächsten Monate Nahrungsmittel, Medikamente und Treibstoff einzukaufen.