Forensik

Ein toter Großmeister und verloren geglaubte Dokumente

Bioarchäologe Jan Cemper-Kiesslich und Rechtshistoriker Daniela Mattiangeli.
Bioarchäologe Jan Cemper-Kiesslich und Rechtshistoriker Daniela Mattiangeli.Andreas Kolarik
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Die Untersuchungen zweier Salzburger Wissenschaftler werfen ein neues Licht auf das Ende des 1118 in Jerusalem als Eliteeinheit zum Schutz der Pilger im Heiligen Land gegründeten Templerordens – möglicherweise mit Folgen für zeitgenössische katholische Templer.

Der Geschichte und besonders dem gewaltsamen Ende des Templerordens widmen sich die beiden Forscher Jan Cemper-Kiesslich und Daniele Mattiangeli von der Universität Salzburg in einem interdisziplinären Projekt. Anstoß dazu gab ein Steinsarkophag im italienischen San Fermo aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Darin wird das Skelett des neunten Großmeisters des Templerordens, Arnau de Torroja, vermutet. Dieser war seit 1179 Großmeister des mittelalterlichen Templerordens und wurde zum Nationalhelden von Katalonien, weil er in der Reconquista gegen die Mauren gekämpft hatte.

Der Forensiker Jan Cemper-Kiesslich hat sich durch die Identifizierung historischer Skelette einen Namen gemacht. Er hat auch den Sarkophag und das Skelett untersucht. Sein Urteil: „Die Datierung der Gebeine und der Auffindungsort legen die Arbeitshypothese nahe, dass es sich bei den Knochen um Arnau de Torroja handelt. Noch fehlt aber die Möglichkeit, Vergleichsproben bei verstorbenenkatalonischen Familienangehörigen zu nehmen, um den sicheren Beweis zu erbringen“, so Cemper-Kiesslich.

Unwirksame Aufhebung?

Der Rechtshistoriker Mattiangeli bezweifelt die derzeit unter führenden Historikern herrschende Meinung, dass der Templerorden rechtmäßig am 22. März 1312 von Papst Clemens V. durch die Bulle „Vox in excelso“ aufgelöst wurde. Um die Unrechtmäßigkeit der Auflösung zu beweisen, überprüft Mattiangeli historische Dokumente aus der Vatikanischen Bibliothek und anderen relevanten Archiven wie den Archives nationales in Paris. Er begründet seine These vom rechtlichen Fortbestand des Templerordens damit, dass Papst Clemens IV. in verschiedenen Bullen, darunter „Dignum esse conspicimus“ und „Cum dilecti filii“, Vorrechte der Templer festschrieb. Die Bullen verliehen diesen finanzielle Privilegien und sprachen das Verbot aus, sie zu bestrafen oder zu exkommunizieren. „Dieses Verbot würde aus juristischer Sicht die Nichtigkeit der Entscheidung über die Aufhebung des Templerordens durch den Nachfolger Clemens V. zur Folge haben“, argumentiert er.

Im August hat er die Mikrofilme von zwei weiteren Bullen bekommen, die in den Archives nationales in Paris aufbewahrt werden. „Sie sind in diesem Zusammenhang noch nicht untersucht worden und dokumentieren wahrscheinlich, dass das Konzil der Bischöfe einem päpstlichen Beschluss hätte zustimmen müssen. Das aber ist nicht geschehen.“ Mattiangeli will die Originale von „Cum dilecti filii“ – beide Bullen tragen denselben Titel, datiert vom 8. Juni und 13. Juni – nun selbst vor Ort untersuchen.

Hoch umstrittene Rechtsnachfolge

Generell wird davon ausgegangen, dass die Templer versuchten, auch nach dem Verbot des Ordens und der Vermögensübertragung an den französischen König und den Johanniterorden als konfessionell ungebundener Orden im Geheimen weiter zu bestehen. Es gibt dafür in Portugal, Schottland und im Kontext der Freimaurer Hinweise. Die Rechtsnachfolge des Templerordens ist jedoch hoch umstritten.

Der italienische Verein „Templari Catholici d'Italia“ mit rund 3000 Mitgliedern ist vor allem im Bereich der Kirchenrestauration und von Sozialprojekten aktiv. Sein Großmeister, Mauro Ferretti, gab den Anstoß zum Salzburger Forschungsprojekt. Die Identifizierung des Skeletts als Gebeine des ehemaligen Großmeisters und die wissenschaftliche Untermauerung zu einer Kontinuität der Templer in Italien liegt in seinem Interesse. Es würde die Vereinigung nicht zuletzt vor dem Vatikan stärken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2020)

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