Fahrbericht

Smart: Vom Wackeldackel zum Elektrolackel

Bitte mit ohne Dach: Das Cabrio erspart an warmen Tagen die Klimatisierung.
Bitte mit ohne Dach: Das Cabrio erspart an warmen Tagen die Klimatisierung. (c) Die Presse/Clemens Fabry
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Zurück zum Ursprung: Elektrisch hat der Smart seinen logischen Antrieb gefunden. Er ist spritzig, in der Stadt ausdauernd – und sagenhaft teuer.

Wien. Nach gut zwei Jahrzehnten auf dem Markt ist der Smart zu seiner eigentlichen Bestimmung zurückgekehrt: Es gibt ihn nur noch als Elektroauto. So hatte ihn Swatch-Gründer Nicholas Hayek in den 1990ern erdacht, doch als sich mit Daimler endlich ein Partner für die Serienproduktion des Microcars fand (ab 1998), war vom emissionsfreien Antriebskonzept nichts übrig geblieben. Hayek, enttäuscht, distanzierte sich.

Wackeldackel ade

Die kleinen Benzinmotoren mit berüchtigtem Wackeldackel-Effekt beim Schaltvorgang des automatisierten Getriebes waren in der Folge nur für die Menschen am Steuer ärgerlich, die eine Zeit lang angebotenen Diesel-Aggregate für alle anderen: Ohne Abgasreinigung gehörte der Smart cdi bei aller Kleinheit zu den übelsten Stinkern im städtischen Geläuf. Und so billig wie klein war der Smart auch nie.

Seine Fans fand das Auto trotzdem; die Aussicht auf einen Parkplatz war quasi als Serienausstattung an Bord. Und wer weiß, wie seine Karriere verlaufen wäre, hätten ihm die Behörden auch noch das Querparken erlaubt. In den besten Jahren verkaufte Smart über 100.000 Stück vom Zweisitzer. Ohne das kleinste Abgaswölkchen hinter sich herziehend, kann die Idee von der innenstadtgerechten Handvoll Auto mit dem Smart EQ nun in ihr zweites Leben durchstarten.

Idealerweise mit Fetzendach, bei Smart nobel als Cabrio geführt: Mit dem Himmel als Plafond ist der kleine Innenraum atmosphärisch wirkungsvoll erweitert, außerdem erspart man sich an nicht eiskalten Tagen die Klimatisierung als Energiefresser.

Wesentlich spritziger, als es ein auch hochgegitzter Brabus-Smart je war: elektrischer EQ mit 60-kW-Antrieb.
Wesentlich spritziger, als es ein auch hochgegitzter Brabus-Smart je war: elektrischer EQ mit 60-kW-Antrieb.Clemens Fabry

Die drangvolle Enge von früher ist freilich längst behoben, es ging von Generation eins zu vier um mehr als 15 cm in die Breite. Kaum nimmt man am Fahrersitz wahr, dass einem ein Drittel eines normalen Autos fehlt – außer beim Überfahren von Schwellern, da kommt der kurze Radstand als deftige Gnackwatsche retour. Tipp: Fest den Hinterkopf in die Kopfstütze drücken!

Zu zweit sitzt es sich, davon abgesehen, kommod, für Gepäck ist wie gehabt nahezu kein Platz. Was man anderswo Kofferraum nennt, ist durch zwei dicken (extra zu bezahlenden, dafür bis 22-kW-tauglichen) Ladekabel schon zu einem Drittel belegt. Muss man natürlich nicht immer mitführen: Um die 150 km Reichweite in Stadt und Umland (Akku: 17,6 kWh, Verbrauch: um die 10 kW/100 km) sind realistisch, halt ohne Klima. Oft muss der EQ im Verlauf einer typischen Woche also nicht an die Leine.

Elektroantrieb ist für den Smart natürlich der einzig logische. Der 60 kW starke E-Motor, ein Renault-Fabrikat, an der Hinterachse macht ihn so spritzig, wie man das immer gern gehabt hätte, und die kräftige Rekuperation (nur im Eco-Modus, dies unverständlich) erlaubt nahezu One-pedal-Betrieb.

Bildschirm samt Bordsystem von Renault, Tarife wie von Maybach: Smart EQ von innen.
Bildschirm samt Bordsystem von Renault, Tarife wie von Maybach: Smart EQ von innen. Clemens Fabry

Zu beklagen ist, dass die Idee vom Microcar nie ernsthaft Nachahmer fand (kleine Ausnahme: Toyotas dreisitziger iQ). Etwas Wettbewerb hätte Daimler, jedenfalls dem Smart, gut getan. Er ist solide gebaut, aber ohne Zuzahlung ärmlichst ausgestattet, trotz imposanter Einstiegspreise. Das unansehnliche Bordsystem stammt von Renault.

Man soll den Wert eines Autos nicht an der Länge messen, aber leicht sind die Tarife nicht nachzuvollziehen. Das Cabrio startet bei über 28.000 Euro, unser Exemplar kam mit ein paar Extras auf 35.600 Euro. Das geht wohl nur, wenn Parkplätze der wahre Luxus sind. Ein Massenphänomen wird das platzsparende, sparsame kleine Auto so jedenfalls nicht.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2020)

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