Gastbeitrag

Subjektive Sorge reicht nicht für Entschlagung

Parlament, Lokal 7: Wann ist der Wunsch von Auskunftspersonen, nicht aussagen zu müssen, zu respektieren?
Parlament, Lokal 7: Wann ist der Wunsch von Auskunftspersonen, nicht aussagen zu müssen, zu respektieren?APA/HERBERT P. OCZERET
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U-Ausschüsse handhaben Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung oft großzügig.

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Klagenfurt. Nach der Sommerpause hat der Ibiza-Untersuchungsausschuss seine Tätigkeit wieder aufgenommen. Wie schon davor haben und werden einige Auskunftspersonen ihre Aussage wegen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung verweigern. Für Aufsehen sorgte dabei zuletzt, dass während einer Befragung im Ausschuss plötzlich das Gerücht aufkam, die WKStA ermittle bereits gegen die soeben befragte Auskunftsperson. Erst ein klärender Anruf bei der WKStA brachte Entwarnung. Daraufhin ließ sich die Auskunftsperson wieder befragen.

Nur laufendes Verfahren zählt

In dieser Szene tritt ein schwerwiegendes Manko im rechtlichen Bühnenbild des parlamentarischen Geschehens deutlich zutage: Konturen und Grenzen des Entschlagungsrechts sind äußerst unscharf gezogen. Denn nicht selten führen Auskunftspersonen bloß eine von ihnen subjektiv befürchtete abstrakte Gefährdung ins Treffen, ohne dass ein konkretes Ermittlungs- oder Strafverfahren bereits eingeleitet wäre.

Der U-Ausschuss lässt dies durchwegs genügen, um ein Entschlagungsrecht anzunehmen. In der zuvor geschilderten Situation waren Auskunftsperson und U-Ausschuss hingegen offensichtlich anderer Auffassung: Das Entschlagungsrecht wurde erst und nur in Betracht gezogen, sollten die Strafverfolgungsbehörden bereits ein konkretes Ermittlungsverfahren eingeleitet haben, wenn also die konkrete Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung objektiv droht. Wer die Berichterstattung über den aktuellen und zahlreiche vergangene U-Ausschüsse verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass auf diesen nicht gerade marginalen Unterschied zwischen subjektiver Sorge und objektiver Gefahr aufgrund eines laufenden (!) Ermittlungs-/Strafverfahrens nur wenig Wert gelegt wird.

Die lockere Handhabung der Entschlagungsrechte überrascht. Denn die Befragung von Auskunftspersonen im U-Ausschuss gehört zu den wichtigsten und besonders scharfen Instrumenten parlamentarischer Kontrolle. Ihre Klinge stumpft aber erheblich ab, erlaubt man eine Entschlagung schon bei subjektiver Besorgnis, strafgerichtlich verfolgt zu werden.

Nach der Verfahrensordnung für parlamentarische U-Ausschüsse haben Auskunftspersonen ihrer Ladung Folge zu leisten und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten. Sie dürfen ihre Aussage nur in bestimmten, gesetzlich angeführten Fällen verweigern, unter anderem über Fragen, deren Beantwortung für sie die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung nach sich ziehen würde. Wie sehr sich diese Gefahr verdichtet haben muss, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ebenso wenig hilft es da weiter, dass die Auskunftsperson die Gründe für die Entschlagung glaubhaft machen muss; denn eine subjektive Besorgnis kann selbst dann glaubhaft sein, wenn noch kein konkretes Verfahren eingeleitet wurde.

Im Kern kommt es darauf an, ab welchem Moment die Rechtsordnung den Schutz der Auskunftsperson (individuelles Interesse) höher gewichtet als den überindividuellen Zweck des Verfahrens, die Wahrheitsermittlung. Diese Abwägungsfrage ist alles andere als neu. Sie stellt sich gleichermaßen im Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren, also überall dort, wo die Rechtsordnung Parteien und Dritten (Zeugen) Mitwirkungspflichten auferlegt, um die Wahrheitsermittlung, zu ermöglichen. Dabei nimmt die Rechtsordnung Abstriche in Kauf, wenn der zur Mitwirkung verpflichteten Person Ungemach droht.

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