Geschichte

Wie Vorurteile unser Geruchsempfinden steuern

Auf einem Geruchsspaziergang in Lublin mit Stephanie Weismann (r.).
Auf einem Geruchsspaziergang in Lublin mit Stephanie Weismann (r.). Magdalena Długosz
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Stephanie Weismann erforscht, was veränderte Geruchslandschaften über gesellschaftliche Umwälzungen erzählen.

Sie rochen anders“, bemerkte ein Zeitzeuge über die jüdische Bevölkerung im polnischen Lublin der Zwischenkriegszeit. „Wenn man in die Nähe des jüdischen Viertels kam, war da dieser Geruch nach Zwiebeln, Knoblauch und Hering.“ Olfaktorisches Othering nennt die Kulturwissenschaftlerin Stephanie Weismann vom Research Center for the History of Transformation der Universität Wien diese Art von Zuschreibung. Es handelt sich dabei um eine Form von Diskriminierung, bei der Angehörige einer bestimmten Gruppe aufgrund ihres vermeintlichen Geruchs als fremd und nicht zugehörig klassifiziert werden.

Das antisemitische Vorurteil vom „jüdischen Gestank“ reicht weit ins Mittelalter zurück. Weismann ist darauf auch in Reiseberichten des 18. und 19. Jahrhunderts über das habsburgische Galizien gestoßen: „Das östliche Kronland ist darin sehr schlecht weggekommen, auch stark mit sensorischen Eindrücken versehen. Es wäre dort einfach schmutzig und rückständig. Zu diesem allgemeinen negativen Bild kamen noch eine Reihe olfaktorischer Zuschreibungen.“ Die polnische Aristokratie habe einen Hautgout von Verfall, die ruthenischen Bauern würden nach Schaffell stinken – und die galizischen Juden nach Knoblauch. Im Zwischenkriegspolen mit seinem aufkeimenden nationalen Frischluftbedürfnis wurde dieses Vorurteil erneut schlagend.

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