Jazz

Ins Porgy? Nur mit solidem Schuhwerk!

Guido Spannocchi und Florian Klinger demonstrierten, wie facettenreich jüngere Jazzmusiker Tradition interpretieren.

„Heutzutage ist es ja fast ein Akt des Ungehorsams, wenn man sich Kultur ansieht“, meinte der in London lebende, österreichische Altsaxofonist Guido Spannocchi launig zum wegen der Pandemie zusammengestutzten Publikum. Es war sein Debüt im Porgy & Bess, und so hatte er sich fabelhafte Kollegen herbeigezaubert: den wüsten Gitarristen Martin Siewert, den quirligen Schlagzeuger Matheus Jardim, vor allem aber die empathische Bassistin Gina Schwarz.

Sie brachte ein wenig funky Sternenstaub in diese wilden Extemporationen. Für gewöhnlich versteckt sie sich gerne hinter einem mächtigen Kontrabass. Diesmal aber groovte sie ohne Paravent, am E-Bass. Ihre Funkyness sah man ihr schon an den güldenen Turnschuhen an. Überhaupt sagt das Schuhwerk schon einiges darüber aus, wie ein Musiker in der Welt steht. Viele Sängerinnen präferieren es, barfuß auf den Brettern zu agieren, andere tragen Militärstiefel oder lila Schnürschuhe. Spannocchi zelebriert eine Art Pauvre Chic, steht aber in mehr als soliden, zweifarbigen Budapestern.

Die verleihen Sicherheit, wenn sich der Träger in unerforschtem Terrain umsieht. Die energiegeladene Performance seines Quartetts passierte nämlich spontan und ohne doppelten Boden. Einen Tonträger in dieser Besetzung, die delikate, kühle Innigkeit kommuniziert, wird es auch bald geben.

Anderntags stellte der heimische Vibraphonist Florian Klinger mit einem virtuosen Sextett sein Debütalbum „One“ vor. Auch an diesem Abend stach der Bass hervor: Raphael Preuschl hat ähnlich wie Schwarz den Funk im Blut. Ein besonderer Moment war der Dialog zwischen Preuschls E-Bass und der Bassklarinette von Fabian Rucker im Stück „Tahini“. Nebenher bemerkt: ein Zusammenspiel zweier Weichlederstiefelträger. Bandleader Klinger spielte versonnen in 4-Schlegel-Technik, bemühte sich redlich, dem Instrument herbe Klänge abzuringen. Bemerkenswert war Gastsängerin Patrizia Ferrara, die zeitweilig klang wie eine wiederauferstandene Billie Holiday: weh und doch golden wie der Herbst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.10.2020)

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