Junge Forschung

Die Zelle auf dem Goldtablett

Brigitte Holzer erforscht die Interaktion zwischen Lipidschicht und Proteinen in der Zellmembran.
Brigitte Holzer erforscht die Interaktion zwischen Lipidschicht und Proteinen in der Zellmembran. Katharina F.-Roßboth
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Die Chemikerin Brigitte Holzer stellt eine Zellmembran her, um das Zusammenspiel von Lipiden und Proteinen zu erforschen. Das ist hilfreich für die medizinische Diagnostik.

Ärgerlich ist das, wenn einem beim Duschen die Seife entgleitet und man sie nicht mehr zu fassen bekommt. Schuld daran ist ihre Zusammensetzung, die mit der Doppellipidschicht einer Zellmembran – der Außenhülle einer menschlichen Zelle – vergleichbar ist. „Diese Schicht besteht aus einem elektrisch geladenen polaren und einem apolaren Teil, der den Schmutz einschließt“, erklärt Brigitte Holzer vom Institut für Angewandte Synthesechemie der Technischen Universität (TU) Wien.

Das Interagieren zwischen Lipidschicht und Proteinen in der Zellmembran ist weitestgehend unerforscht. Das Ziel der Chemikerin ist es, die Außenhülle der Zelle möglichst realitätsnah im Labor nachzubilden, um weitere Erkenntnisse über das Funktionieren der menschlichen Zelle zu erhalten. Das ist nicht nur für die Grundlagenforschung nützlich, sondern hilft auch, Erkrankungen auf Basis gezielter pharmazeutischer Screenings besser verstehen und therapieren zu können. Ihr Projekt wird vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

Antikörper aufspüren

Holzer hat es immer schon mehr zu den naturwissenschaftlichen Fächern wie Chemie und Physik gezogen. „Ich habe in der Schule gute Lehrer gehabt, die diese Gegenstände interessant vermitteln konnten“, erinnert sich die heute 34-Jährige. Das Schöne an ihrer Forschung sei, dass sie interdisziplinär arbeiten könne und mit Studienfächern wie Physik, Biomedizin und Biologie kooperiere.

So beschäftigte sie sich in ihrer Dissertation mit organischer Elektronik und stellte Halbleiter her. Gleichzeitig startete sie damals ein Zweitstudium für Biomedizintechnik. Das helfe ihr, die biologischen Zusammenhänge der menschlichen Zelle besser zu verstehen. Nach ihrer Promotion forschte Holzer im italienischen Bari, wo sie an der Entwicklung von Biosensoren beteiligt war. „Biosensoren kommen in der biomedizinischen Analytik vor, wo mit einem Analyten in einem Medium zum Beispiel Antikörper detektiert werden können“, erklärt sie. Zum effizienten und raschen Diagnostizieren von Infektionen könnten diese Sensoren in der Medizin künftig eingesetzt werden. Aus Bari kehrte sie mit neuem Fachwissen über jene Bereiche der Biologie und der Oberflächenchemie, in denen sogenannte Ankergruppen verwendet werden, zurück nach Wien.

Ankergruppen sind einer der Knackpunkte für Holzers aktuelles Projekt. Es geht dabei darum, mit Lipiden – Fetten – eine doppelte Schicht möglichst realitätsnah zur biologischen Zellmembran im Labor nachzustellen und diese auf einem Goldplättchen als Trägermaterial zu verankern. Warum Gold? Das Edelmetall kommt deshalb zum Einsatz, weil es chemisch neutral ist und das Verhalten der synthetisch hergestellten Zellmembran nicht beeinflusst. „Früher hat man für diese Ankergruppen Schwefelverbindungen wie Thiole verwendet. Die haben aber den Nachteil gehabt, dass sie im Vergleich zu einer biologischen Zellmembran sehr starr waren und nicht die Realität abgebildet haben“, erklärt die Forscherin. Der entscheidende Punkt sei gewesen, diese durch N-heterocyclische Carbene – stickstoffhaltige Verbindungen – zu ersetzen. Diese weisen eine höhere Beweglichkeit der Moleküle auf und kommen den realen Bedingungen schon sehr nahe.

Längerfristiges Forschen ermöglichen

In der biologischen Zellmembran dienen Proteine als Transportweg von beispielsweise Ionen – geladenen Molekülen – aus der Zelle und wieder zurück. Bei der nachgestellten Zellmembran wird deshalb eine α-Hämolysin-Nanopore – ein Protein – integriert, um den Austausch an der Membranhülle zu erforschen. Mit Holzers Forschungsansätzen sollte es gelingen, die Lebensdauer der künstlichen Zellmembran deutlich zu erhöhen. Das wäre ein großer Fortschritt, da dadurch längerfristig geforscht werden kann. Das soll sich in aussagefähigeren Ergebnissen widerspiegeln.

Abseits der Forschung ist die Chemikerin gerne am Wasser. In ihrem jüngsten Urlaub hat sie das Windsurfen für sich entdeckt. Die Nähe Wiens zum Neusiedler See kommt ihr da ganz gelegen.

ZUR PERSON

Brigitte Holzer (34) hat an der TU Wien Technische Chemie studiert. 2015 promovierte sie am dortigen Institut für Angewandte Synthesechemie. Danach entwickelte sie Biosensoren auf Basis organischer Elektronik an der Universität Bari. Seit 2017 ist sie wieder an der TU Wien. Seit Juni 2020 wird ihr Forschungsprojekt im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programms des Wissenschaftsfonds FWF gefördert.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2020)

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