Dieses Haus von Zenker befindet sich gerade in Fertigstellung in Wien Döbling.
Architekturtrends

Fertighäuser erschließen neue Käuferschichten

Auch im Luxussegment werden sie immer salonfähiger.

Villa und Fertighaus – diese Wortkombination war viele Jahre lang ein ähnlicher Widerspruch wie Edelaltbau und Laminatböden oder Sterneküche und Konservendosen. Wobei die Betonung auf „war“ liegt, denn die vorgefertigten Häuser haben in den vergangenen 20 Jahren ohnehin einen langen Weg vom einstigen wenig flexiblen „Typenhaus“ hin zu qualitativ vergleichbaren Eigenheimen in der gehobenen Mittelklasse zurückgelegt. Von der Villa „Abendlicht“ bei Glorit bis zur Architektenvilla „Toscana“ von Vario-Haus reicht das Angebot an Villen, und jetzt erobern die vorgefertigten Häuser zunehmend das Luxussegment – seit Corona noch einmal verstärkt.

Steigende Nachfrage

Das beginnen auch erste heimische Luxusmakler zu spüren, die von einer steigenden Nachfrage nach derartigen Angeboten berichten. „Dabei geht es unter anderem um die Faktoren Zeit und Aufwand“, weiß Richard Buxbaum, Prokurist und Leiter Wohnimmobilien bei Otto Immobilien. Diese seien bei einem regulären Hausbau nicht zu unterschätzen. „Dabei haben sich ja bekanntlich manche Ehepaare in die Hare bekommen, weshalb sich unter anderem Männer, die dem Motto ,Happy wife, happy life‘ folgen, für diese Bauart interessieren.“ Zumal Bauherren oder -frauen mit einem robusten Budget es durchaus zu schätzen wissen, wenn sie sich in Sachen Kosten auf keine Abenteuer einlassen müssen, wie Christian Murhammer, Geschäftsführer des österreichischen Fertighausverbandes, betont. „Gerade im Luxussegment ist es keineswegs so, dass Geld keine Rolle spielt“, berichtet er. „Vielmehr bekommen wir von unseren Kunden die Rückmeldung, dass die Käufer oft einen unternehmerischen Hintergrund haben und Kosteneffizienz durchaus zu schätzen wissen.“

Die liege bei Fertighäusern nicht nur in der Bauweise, sondern auch darin, nur einen Ansprechpartner zu haben und somit Kosten für einen Projektkoordinator und Gewerkeübergaben zu sparen. Außerdem sei die Fixpreisgarantie im Premiumsegment ebenfalls ein Argument, so Murhammer. Laut Buxbaum summiert sich Gesamtersparnis dadurch auf 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu entsprechenden High-End-Objekten.

Visualisierung einer Innenansicht der Villa „Freiraum“ von Glorit.
Visualisierung einer Innenansicht der Villa „Freiraum“ von Glorit.(c) Glorit

Hauptgrund Holzbauweise

Den wirklichen Grund für die steigende Nachfrage sieht Matthias Calice, Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender der Elk-Gruppe, allerdings „eine Flughöhe darüber: Dahinter steckt der Trend zu ökologischer Bauweise, die bei Fertighäusern durch die Holzbauweise gegeben ist“, meint der Unternehmer. „Ein Holzriegelhaus verbraucht in der Errichtung 85 Prozent weniger CO2, das ist ein signifikanter Unterschied“, rechnet er vor. Die wachsende Relevanz der Ökologie sowie die hohe Bauqualität habe die Fertighäuser auch im Luxussegment hoffähig gemacht, erläutert Calice, was in der Nachfrage sowohl aus Österreich als auch Deutschland deutlich spürbar sei.

Besonders deshalb, weil die Holzbauweise keine Einschränkungen bei der Architektur verlangt. „Von extremen Spannweiten, die aber im privaten Wohnbau so gut wie nie vorkommen, einmal abgesehen, ist architektonisch alles machbar“, sagt Calice, dessen Unternehmen derzeit in Wien Döbling eine 400 Quadratmeter große Villa im Wert von 1,5 Millionen Euro baut. „Das ist eine individuelle Anfertigung, für die der Kunde mit seinem Architekten zu uns gekommen ist.“

Wer etwas weniger investieren möchte, findet etwa bei Zenker, das zur Elk-Gruppe gehört, Premiumhäuser mit hohem architektonischen Anspruch zwischen 350.000 und einer Million Euro. „In der Regel handelt es sich dabei um unsere eigenen Vorschläge, bei deren Planung ist dann aber manchmal noch ein Kundenarchitekt involviert“, erklärt Calice.

Auch Murhammer sieht in dem Wunsch nach ökologischer Bauweise einen wichtigen Treiber für das erwachte Interesse der Luxuskunden: „Ein Mitglied unseres Verbandes, das sich auf diese Nische spezialisiert hat, ist Magnum Vollholz-Design. Das Unternehmen stellt derzeit zwei Beispielhäuser in der Blauen Lagune (dem Fertighauspark in der SCS, Anm.) aus.“

Bereits realisierte Architektenvilla von Vario-Haus.
Bereits realisierte Architektenvilla von Vario-Haus.(c) Vario-Haus

Kurze Bauzeit

Ein weiteres Argument für die vorgefertigten Eigenheime kommt der Branche in der jetzigen Coronazeit entgegen: die verhältnismäßig kurze Bauzeit. Wer weiß, was er will, und bereits mit einem Plan zum Hersteller seiner Wahl geht, kann sechs bis acht Monate später einziehen. Aber auch mit mehr Beratungsaufwand dauert es selten länger als ein Jahr, bis man die Vorhänge im neuen Heim aufhängen (lassen) kann. „Dieses Argument ist jetzt besonders interessant geworden“, weiß Buxbaum. Denn bekanntlich ist in vielen Menschen während des Lockdowns der Wunsch nach einem Wohnsitz im Grünen erwacht. Im Luxussegment erfüllen sich diesen jetzt viele doppelt gern, da ein Investment in Immobilien in ungewissen Zeiten und angesichts drohender Negativzinsen als besonders sicher gilt. „Der Trend zum Fertighaus wird derzeit durch die Flucht aufs Land befeuert“, ist Buxbaum überzeugt. „Wobei im Premiumsegment Zweitwohnsitze besonders gefragt sind, die sich von Wien aus schnell erreichen lassen.“

Und auch wenn der Traum vom Haus im Grünen sich für die zweite Welle nicht mehr ausgeht, könnte zumindest Ostern bereits in der Villa am Land möglich sein. Diese müsse dem Penthouse in der Stadt auch in Sachen Ausstattung und Sicherheit in nichts nachstehen, betont Calice: „Alles ist möglich – egal ob Marmorbad, Bösendorfer-Flügel oder privater Lift.“ Auch in Sachen Sicherheit ließen sich die vorgefertigten Villen genauso schützen wie die handgemauerten.

Wissenstransfer

Neue Bedürfnisse, auf die sich die Branche bereits jetzt vorbereite, wie Murhammer berichtet: „Wir hatten erst kürzlich einen renommierten Lifthersteller bei uns zu Gast, der die Mitarbeiter unserer Verbandsmitglieder über den aktuellsten Stand der Technik informierte.“ Grundsätzlich sei eben alles eine Frage des Preises, wie sich Buxbaum ausdrückt. Laut Murhammer muss man bei einem Lift mit zusätzlichen 30.000 Euro rechnen. Das gilt aber für die Baumeistervilla genauso. (sma)

Auf einen Blick

Lang waren sie sogar beim kleinen Häuslbauer verpönt, vom Luxussegment ganz zu schweigen: Fertighäuser haben sich in den vergangenen 20 Jahren ihren guten Ruf schwer erarbeiten müssen. Heute kommt den Holzriegelbauten das Bewusstsein für ökologisches Bauen zugute – und das gilt seit Kurzem auch im Luxusbereich. Dabei spielt der neue Wunsch nach Zweitwohnsitzen im Grünen genau so eine Rolle wie die modernen Ausstattungsmöglichkeiten.

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