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Immobilienwirtschaft: Vor der Revolution kommt die Evolution

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Der Einsatz der Blockchain wird die Immobilienwirtschaft revolutionieren und den Erwerb von Immobilien schneller und einfacher machen.

„R. I. P. lieber Notar – Wie die Blockchain Notare ersetzen könnte“, dieser Titel mag so manchen aus dem Sessel reißen. Vor allem, wenn er dem altehrwürdigen Notariatsberuf angehört. Ein Beruf, der in Österreich gesetzlich geregelt und derzeit auf etwas mehr als 500 Notariate beschränkt ist. Der Argumentation des Blogautors auf blockchain-infos.de folgend könnte die notarielle Arbeit, die bei der Transaktion von Immobilien anfällt – wie die Eintragung ins Grundbuch – entfallen, wenn das Grundbuch auf Basis der Blockchain-Technologie funktioniert.

Tatsächlich hat die Überlegung durchaus Charme. Stellen Sie sich vor, Sie tragen die Eigentumsurkunde zu Ihrem Grundstück in einem Wallet bei sich, finden einen Käufer, einigen sich über den Preis und transferieren das Eigentumsrecht binnen Minuten von ihrem Wallet in das des Käufers. Dieser wiederum transferiert parallel dazu den vereinbarten Kaufpreis in Zentralbankgeld von seinem Wallet in Ihres. Fertig ist der Deal. Klingt faszinierend, ist es auch – nur leider von der Realität, in der wir leben, (noch) weit entfernt. Erstens, weil es noch kein auf der Blockchain-Technologie basierendes Grundbuch gibt, zweitens, weil es noch kein auf der Blockchain-Technologie basierendes Zentralbankgeld gibt und drittens, weil niemand Unabhängiger bestätigt, dass der Transfer freiwillig erfolgt ist.

Mit dem Geldkoffer durch die Gegend laufen


Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass die Blockchain den Notar obsolet machen könnte, meint etwa Andreas Freitag, Blockchain-Experte bei Accenture: „Nie im Leben. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Grundstück, das ist eine Million Euro Wert in Ihrem Wallet. Und nicht so gutmeinende Menschen wissen, dass Sie mit einer einfachen Signatur am Computer oder am Handy dieses Grundstück übertragen können. Das wäre in etwa so, wie wenn Sie mit einem Koffer, der mit einer Million Euro gefüllt ist, durch die Gegend marschieren. Die Kernaufgabe des Notars ist ja nicht Grundbucheinträge zu erstellen, sondern sicherzustellen, dass beide aus freiem Willen handeln und dies beglaubigt. Das ist die Kernaufgabe, die keine Technologie ersetzen kann.“ Andreas Freitag kann sich allerdings vorstellen, dass Notare künftig nicht mehr persönlich anwesend sein müssen für die Beglaubigung, sondern via Blockchain in den Prozess eingebunden werden, so wie es in Schweden mit Maklern und Banken schon ausprobiert wurde.

Grundbuch mit der Blockchain optimieren


Auch wenn sich die reale Welt etwas komplizierter darstellt, als sie von manchen Blockchain-Apologeten geschildert wird, könnte die Blockchain-Technologie durchaus in der Lage sein, Prozesse im Zusammenhang mit dem Grundbuch zu optimieren, auch in Österreich. Klaus Veselko von der CIS (Certification & Information Security Services GmbH) meint: „Das Grundbuch ist geradezu ein klassischer Anwendungsfall für die Blockchain“, nicht zuletzt deshalb, weil das österreichische Grundbuch schon seit einiger Zeit digitalisiert ist und damit die Basis für eine weitere Digitalisierung der Prozesse gelegt ist. Übrigens, die CIS, ein staatlich akkreditierter Zertifizierungspartner, der auf Informationssicherheit, Datenschutz, Cloud Computing, IT-Services, Rechenzentren und auf Business Continuity Management spezialisiert ist, hat gemeinsam mit der Quality Austria ein Blockchain Assessment entwickelt.

Bei dem Assessment, das seit heuer angeboten wird, geht es nicht so sehr um die Blockchain-Technologie (Distributed-Ledger-Technologien) selbst, da diese ja als manipulationssicher gilt. Bei dem Assessment geht es um Lösungen, die auf dem Einsatz der Blockchain aufbauen. Im Rahmen des Assessments wird geprüft, ob die Blockchain-Technologie bedarfsgerecht hinsichtlich ihrer organisatorischen sowie technischen Implementierung ist. Dabei werden die relevanten Anforderungen in puncto Informationssicherheit und IT-Service-Management (ISO 27001 und ISO 20000) berücksichtigt. „Es geht vor allem darum, zu überprüfen, ob die Anwendung auf dem Letztstand der Technik ist und ob es sich um eine seriöse Lösung handelt“, meint Veselko. Apropos Informationssicherheit: Wie der Fall Mt. Gox in Japan zeigt, ist die Blockchain selbst noch nie geknackt worden, wohl aber können Hacker in z. B. Bitcoin-Börsen eindringen, um sich dort die für einen Transfer notwendigen Daten zu holen.

Tokenisierung von Immobilien


Doch zurück zu den Einsatzmöglichkeiten der Blockchain in der Immobilienwirtschaft. Tatsächlich birgt die Technologie jede Menge revolutionäres Potenzial, wenn es etwa um das Thema Veranlagung in Immobilien geht. Das Zauberwort lautet diesfalls „Tokenisierung“. Der Hintergrund: Bisher ist das Investment in Einzelimmobilien eine eher kostspielige Angelegenheit und mit hohem Aufwand verbunden. Außer man wählt den Umweg über Aktien, Immobilienfonds oder neuerdings die Möglichkeiten der Schwarmfinanzierung – besser bekannt als Crowdfunding. In allen drei Fällen ist der Investor aber nicht (Mit-)Eigentümer einer Immobilie, sondern eben Aktionär, Fondsanteilsbesitzer oder Inhaber einer Anleihe. Weil der Erwerb einzelner Immobilien wie erwähnt kostspielig und aufwendig ist, verschließt sich diese Assetklasse dem „Otto Normalverbraucher“, der eher selten die entsprechenden finanziellen Ressourcen aufbringen kann.

Was aber, wenn man die Besitzanteile an einer speziellen Immobilie „tokenisiert“, wie es so schön im „IT-Sprech“ heißt? Sprich, man digitalisiert den Wert einer Immobile mithilfe der Blockchain-Technologie und bildet ihn in „Tokens“ ab. So könnte etwa ein Zinshaus im Wert von einer Million Euro in zehntausend Tokens mit einem Wert von 100 Euro „zerlegt“ werden. Die so generierten Tokens stellen das Eigentumsrecht an der Immobilie dar und liegen in einer dezentralen Datenbank, der Blockchain. Der Charme dieser Lösung: Eine Immobilien-Transaktion samt Verifizierung kann mithilfe weniger Klicks vorgenommen werden. Dadurch wird die Assetklasse Immobilien, in Österreich auch gern als „Betongold“ betitelt, deutlich liquider – sprich leichter handelbar. Eine höhere Liquidität im Markt könnte unter Umständen auch zur Wertsteigerung beitragen. Tatsächlich wurde im Sommer 2019 die in Paris gelegene Villa Anna als erste europäische Immobilie mittels Tokenisierung an den Mann bzw. die Frau gebracht. Allerdings musste aus rechtlichen Gründen der Umweg über eine AG gewählt werden in die, die 6,5 Millionen Euro teure Villa zuerst eingebracht wurde.

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