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Container-Logistik: Die digitale Staffelübergabe im Hafen

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Die Abholung von Containern im Hafen erweist sich derzeit als komplexer und aufwändiger Prozess. Im Rotterdam wird eine neue Art der Containerabfertigung mithilfe der Blockchain-Technologie getestet.

Der potenzielle Impact von Blockchain-Technologien lässt sich sehr gut in dem für den Welthandel so bedeutenden Segment der Containerlogistik festmachen. Seitdem Mitte der 1960er-Jahre der amerikanische Transportunternehmer und Reeder Malcolm McLean die bahnbrechende Idee hatte, Waren und Güter in Containern zu transportieren, haben die schnellen Umschlagmöglichkeiten zwischen Schiff, Bahn und Lkw die Globalisierung des Warenhandels erheblich beschleunigt. Nahezu alles kann heute per Container transportiert und effizient gelagert werden. Der weltweite Bedarf von Containern ist enorm, rund 40 Millionen sind aktuell im Einsatz und knapp 70 Prozent aller Frachten, die über den Seeverkehr abgewickelt werden, werden in Containern verschifft.

Vorzeigebeispiel Rotterdam


Als größter Containerhafen Europas gilt Rotterdam. 2019 erreichte man einen Umschlag von 15 Millionen TEU (Maßeinheit für Container mit einer Länge von 20 Fuß, also etwa sechs Metern), die nach der Entladung – im Schiffslogistikjargon spricht man von „Löschung“ – ihren Weg ins europäische Inland finden. Die Abholung der Container im Hafen erweist sich als komplexer Prozess, der die Zusammenarbeit von Reedereien, Spediteuren, Transportunternehmen und Terminals erfordert. Das Freigabeverfahren zwischen den Akteuren in der Kette birgt Risiken. Will ein Fahrer einen Container beim Terminal abholen, muss dieser über eine gültige Freigabeberechtigung verfügen, die von einer Reederei erteilt wird. Danach gibt der Spediteur einem Transportunternehmer den Abholauftrag. Der Hafen regelte die dabei anfallenden Kommunikationsschritte bis dato über die manuelle Weitergabe einer Geheimzahl. Die häufigen Fehler in diesem Verfahren führten regelmäßig zu Zeitverlust, Reklamationen und Unmut bei Kunden und Partnern. Im Juli 2020 wurde deshalb ein Test zur Containerabfertigung gestartet, der auf durch Blockchain-Technologie gesicherte digitale Mittel setzt, um ohne die für Irrtum und Betrug anfällige Geheimzahl auszukommen.

Digitaler Staffelstab


Getestet wird in Rotterdam die sogenannte Secure-Container-Release-App, entwickelt vom belgischen Start-up T-Mining. Die App wandelt die Geheimzahl in ein digitales Token um, das im Sinne eines digitalen Staffelstabes unter den Geschäftsparteien weitergereicht wird. Mithilfe der Blockchain-Technologie wird dabei vermieden, dass diese Berechtigung entwendet oder kopiert werden kann. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass nicht jedermann beliebig einsieht, wer das Token zuvor hatte. Informationen über Handelsbeziehungen bleiben somit vertraulich. „Wir rechnen damit, durch den Einsatz dieser neuen Technologie das gesamte Arbeitsprozedere in unserem Hafen bedeutend schneller, effizienter und sicherer zu machen. Davon werden alle Akteure der Container-Logistik profitieren“, glaubt Emile Hoogsteden, Geschäftsführer für Wirtschaft und Handel beim Hafenbetrieb Rotterdam.

Forschungslabors & Handelsnetzwerke


Die neue App für die Containerabfertigung ist nicht das einzige Blockchain-Projekt, an dem der Hafen von Rotterdam beteiligt ist. Bereits im September 2017 riefen die Niederländer ein eigenes Blocklab ins Leben. In Zusammenarbeit mit Ingenieuren, Entwicklern und Endbenutzern wird hier anwendungsorientierte Forschung betrieben, um den globalen Energiewandel zu fördern und Lieferketten zu optimieren. Die Tochtergesellschaft des Rotterdamer Hafens fokussiert auf kommerzielle Anwendungsfälle, erprobt Konzepte und experimentiert gemeinsam mit Start-ups und Universitäten, um Blockchain-Lösungen markttauglich zu machen. Aktuell wird ein Projekt vorangetrieben, das den elektronischen Frachtbrief für den internationalen Handel perfektioniert. Bei der Digital Container Shipping Association (DCSA, eine gemeinnützige Organisation, die 2019 von mehreren der größten Containerschifffahrtsunternehmen gegründet wurde) schätzt man, dass die Branche mehr als vier Milliarden Dollar pro Jahr einsparen könnte, wenn nur 50 Prozent der elektronischen Frachtbriefe angenommen werden.

Netzwerk der Automatisierung


Beteiligt ist der Rotterdamer Hafen ebenfalls am Tradelens-Netzwerk, das von IBM und der dänischen Maersk Gruppe initiiert wurde. Das Netzwerk, das mittlerweile u. a. fünf der sechs wichtigsten Containerreedereien sowie Zollbehörden und große Industriekonzerne zu seinen Mitgliedern zählt, hat sich zum Ziel gesetzt, Prozesse im weltweiten Handelsverkehr mit Hilfe der Blockchain zu automatisieren. So werden auf der Tradelens-Plattform Millionen von Versandvorgängen und -dokumenten mit Parteien auf sechs Kontinenten ausgetauscht, um zur Reduzierung von Reibungsverlusten und zur Vereinfachung des Handelsprozesses beizutragen. Herzstück der Plattform ist ein auf Berechtigungen basierendes System, das es den Parteien ermöglicht, Daten anzuzeigen, zu bearbeiten und zu nutzen. „Tradelens ermöglicht es den Teilnehmern, sich über das gesamte Ökosystem der Lieferkette hinweg zu verbinden, Informationen auszutauschen und digital zusammenzuarbeiten. Die Mitglieder erhalten einen umfassenden Überblick über ihre Daten, während sich die Fracht um die ganze Welt bewegt. So kann eine transparente, sichere und unveränderbare Aufzeichnung der jeweiligen Transaktionen erstellt werden“, erläutert Christian Schultze-Wolters, IBM Geschäftsbereichsleiter Blockchain für die D-A-CH-Region.

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