Wissenschaft

Das Erbe der Wikinger

So wie Charles Ernest Butler in seinem Bild von 1909 imaginierte man sie erst seit 1876: seit dem ersten „Ring“ in Bayreuth.
So wie Charles Ernest Butler in seinem Bild von 1909 imaginierte man sie erst seit 1876: seit dem ersten „Ring“ in Bayreuth.Heritage Images/Getty Images
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Die gefürchteten Völkerschaften waren nicht so blond, wie Mythen es wollen, sie waren auch nicht so gesund, hatten und verbreiteten Pocken.

Nie zuvor brach so ein Schrecken über Britannien herein. Die Heiden verspritzten das Blut der heiligen Männer um den Altar herum, und sie trampelten im Tempel Gottes auf ihren Leibern herum wie auf Dung in den Straßen.“

Mit diesem Gemetzel im Kloster St Cuthbert in Lindisfarne an der Nordostküste Englands – beschrieben von Alkuin von York, einem Gelehrten am Hof Karls des Großen – traten am 8. Juni 793 ganz neue Spieler in die Weltgeschichte ein, Völkerschaften, von denen man kaum mehr wusste, als dass sie Heiden waren und dass sie aus dem Norden kamen: „Heathens“ nannte sie Alkuin, und ein Gebet, das bald an Englands Küsten angestimmt wurde, nahm auf ihre geografische Herkunft Bezug: „A furore Normanorum libere nos, Domine!“ Aber der Herr erhörte die Seinen nicht, und die Nordmänner plagten bald nicht nur die Insel, sie drangen auch tief in den Kontinent vor, eroberten Sevilla und bedrohten Paris. Und im Osten breiteten sie sich durch die Weiten Russlands aus bis hinab ans Schwarze Meer und darüber hinaus, manche verdingten sich als Söldner von Ostroms Kaiser Basileos II. (985–1025) in Byzanz, andere trieben Handel bis nach Bagdad.

Sie waren keine geschlossene Ethnie, sondern mischten sich mit Süd- und Osteuropäern.



Bald erhielten sie auch den Namen, der ihnen geblieben ist – Wikinger –, er wurde a
malgamiert mit Attributen wie denen, sie seien gold- und blutgierige blonde Hünen gewesen, die Helme mit Hörnern oder Flügeln trugen und ihren Met aus Schädeln Erschlagener schlürften. Das waren Fake News, sie tranken aus Tierhörnern, und der Zierrat der Helme war eine Erfindung Richard Wagners – bzw. seines Bühnenbildners Carl Emil Doepler, der 1876 den ersten Bayreuther „Ring“ damit ausstattete –, zum Kämpfen hätte er wenig getaugt, er hätte Angriffsflächen geboten und Mitstreiter verletzen können.

Und blond waren viele Wikinger auch nicht, das zeigt die bisher umfassendste Genanalyse, für die eine Gruppe um Eske Willerslev (Kopenhagen) 442 Skelette quer durch Europa – und Grönland – ausgewertet hat. Die Wikinger waren keine geschlossene nordische Ethnie, sondern Küstenbewohner Skandinaviens, die sich mit Süd- und Osteuropäern mehr mischten – zu und auf gemeinsamen Unternehmungen – als mit den Bauern des eigenen Hinterlands (Nature 16. 9.).

Allerdings bleibt auch Willerslev einem Mythos treu – bzw. die PR-Leute seiner Universität tun es –, dem, der Name bedeute „Seeräuber“. Aber auch die Etymologie ist vielschichtig (Details online: John H. Lind, „,Vikings‘ and the Viking Age“): Zwar bedeutete das altnordische „vikingr“ „auf Kaperfahrt gehen“, aber damit bezeichnete man alle Seeräuber, auch muslimische im Mittelmeer und israelitische im Roten Meer; und es gibt auch andere mögliche Wurzeln: „Vikr“ – „kleine Bucht“ –, und vor allem „vika“, es bezog sich auf das Rudern und im engeren Sinn auf den Schichtwechsel zwischen zwei Mannschaften, es war damit auch ein Maß für die zurückgelegte Entfernung.

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