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Ambivalente Helden

Wenn man davon ausgeht, dass Erdoğan ein islamistischer Politiker ist – und es spricht nichts dagegen –, dann haben hier zwei Sympathisanten bei einem islamistischen Anschlag einem Polizisten das Leben gerettet.

Es war irgendwo zwischen berührend und bizarr angesiedelt – und nein, es geht nicht um die mögliche Wiederwahl von Donald Trump. Wobei – es geht um einen Artverwandten: Recep Tayyip Erdoğan. Dieser vereinnahmte gleich einmal die zwei türkischstämmigen „Helden von Wien“. „Helft den Österreichern weiterhin!“, sagte er den beiden Mixed-Martial-Arts-Kämpfern am Telefon. Nicht ohne anzufügen, dass sie es als Muslime ja sicher nicht leicht haben dürften in Österreich. Und auch die zwei Burschen waren hin und weg. Einer der beiden heißt mit Vornamen Recep Tayyip – und das ist kein Zufall. Dessen Vater durfte auch mit Erdoğan reden – und war noch seliger, ein Traum sei wahr geworden: „Als Sie in Haft waren, habe ich meinen Sohn nach Ihnen benannt.“ Vom anderen Retter vom Schwedenplatz tauchten dann auch noch Fotos mit dem Wolfsgruß im Internet auf.

So ambivalent ist die Wirklichkeit des Jahres 2020. 50 Shades of Islamismus sozusagen. Schwarz-Weiß war gestern. Wobei: In Sachen Ambivalenz macht dem Jahr 2020 sowieso so schnell keiner etwas vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2020)

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