Anti-Terror-Paket

Terrorismus: Experten warnen vor "emotionalen Schnellschüssen"

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Das Netzwerk Kriminalpolitik fürchtet eine Aushöhlung der Grundrechte durch das Anti-Terror-Paket der Regierung. Richtervereinigungs-Präsidentin: "Alle Terrortäter lebenslang in Haft zu nehmen wird nicht gehen."

Strafrechts-, Opferschutz- und Resozialisierungs-Experten warnen im Bereich der Terrorismus-Bekämpfung vor "emotionalen Schnellschüssen". Die Politik laufe in Situationen wie nach dem Terroranschlag von Wien Gefahr, "auf der Suche nach Schuldigen Gesetze zu rasch und überschießend zu verschärfen und Grundrechte auszuhöhlen", so das Netzwerk Kriminalpolitik am Donnerstag. Auch Richtervereinigungs-Präsidentin Sabine Matejka warnte vor Grundrechtseingriffen.

Dem Netzwerk Kriminalpolitik gehören die Richtervereinigung, die Vereinigung der Staatsanwälte sowie der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, die Opferschutzvereinigung Weißer Ring, der Verein Neustart sowie mehrere Strafrechts-Experten an. Es gelte auch in Zeiten wie diesen, "angemessen und mit Bedacht zu reagieren", so die Stellungnahme mit Blick auf das von der Bundesregierung am Mittwoch präsentierte Anti-Terror-Paket, das auf Gefährder und den politischen Islam abzielt. Laut der im Ministerrat beschlossenen Punktation ist unter anderem die vorbeugende elektronische Überwachung entlassener Gefährder sowie die Unterbringung terroristischer Straftäter im Maßnahmenvollzug vorgesehen.

Verfassungskonform? „Sehr schwierig"

Das von der Regierung präsentierte Anti-Terror-Paket bedürfe einer "eingehenden Diskussion", eine Forderung, der sich auch Richtervereinigungs-Präsidentin Matejka anschloss. Die Unterbringung von potenziell terroristischen Rückfalltätern im Maßnahmenvollzug sei verfassungskonform sehr schwierig umzusetzen, sagte sie. "Als psychisch krank kann man diese Täter in der Regel nicht bezeichnen."

Und zur bereits jetzt bestehenden Möglichkeit, wonach vorverurteilte Täter in den Maßnahmenvollzug eingewiesen werden können, sagte Matejka, dazu brauche es zwei einschlägige Vorverurteilungen, was bei einem Terror-Täter wohl zu spät sei. "Wenn ich die Frau Minister verstanden habe, möchte man hier etwas ändern. Da ist der verfassungsrechtliche Rahmen sehr eng. Die Gefährdungseinschätzung wird der wesentliche Punkt sein - und wie stelle ich fest, ob das verhältnismäßig ist?"

Zur Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), derartige potenzielle Rückfalltäter sollen "lebenslang weggesperrt werden", sagte die Präsidentin: "Alle Terrortäter lebenslang in Haft zu nehmen wird nicht gehen." Es werde Personen geben, "die tatsächlich von der Einschätzung so sind, dass man Lösungen finden muss, wie man sie von der Gesellschaft fernhält". Für alle andere müsse es andere Möglichkeiten geben - "das schließt verstärkte Resozialisierungsmaßnahmen und Deradikalisierungsmaßnahmen mit ein". Auch Rechtsanwälte-Präsidenten Rupert Wolff sieht diesen Punkt besonders kritisch: "Das geht in einem Rechtsstaat nicht." Lebenslange Haft sei nur bei jenen möglich, die zu lebenslanger Haft verurteilt sind, sagte er im Ö1-"Mittagsjournal".

Skeptisch äußerte sich auch der Strafrechts-Experte Alois Birklbauer von der Universität Linz, der ebenfalls dem Netzwerk angehört. "Es stimmt mich sehr bedenklich, auf diese Schiene des Maßnahmenvollzugs auszuweichen", sagte er im Ö1-"Morgenjournal". Denn man sperre damit Leute weg "unabhängig von einer Schuld", wobei dies immer mit einer Therapie verknüpft sei. "Ein therapeutisches Konzept kann ich bei der Forderung der Regierung nicht erkennen, insofern halte ich das auch verfassungsrechtlich für sehr, sehr problematisch."

Zum Vorschlag einer vorbeugenden elektronischen Überwachung von entlassenen Gefährdern, etwa durch eine Fußfessel oder ein Armband sagte Birklbauer, der elektronisch überwachte Hausarrest gelte immer für Personen, "die die Strafe noch nicht vollständig abgesessen haben". Dass man diese Überwachung auch für verurteilte Straftäter, die die ganze Strafe abgesessen haben, vorsehe, sei ebenfalls "verfassungsrechtlich bedenklich".

„Ergebnisse der Untersuchung abwarten"

Das Netzwerk Kriminalpolitik betonte, vor neuen Maßnahmen sollten jedenfalls die Ergebnisse der geplanten Untersuchungskommission im Zusammenhang mit dem Terroranschlag abgewartet werden. Auch bedürfe es vor der Schaffung neuer Straftatbestände für terroristische Straftaten, einer "genauen wissenschaftlichen Evaluierung der vorhandenen Tatbestände".

Dringend umgesetzt werden müsse auch die "seit Jahren versprochene Reform des Maßnahmenvollzugs in Österreich" - und zwar durch legistische wie auch bauliche Maßnahmen. Matejka erklärte dazu, der Maßnahmenvollzug sei ein "notleidender Bereich in der Justiz, wo es schon lange Reformbestrebungen gibt. Da noch zusätzlich Leute zuführen in dieses System ist sehr schwierig. Man müsste Voraussetzungen schaffen, bevor man noch zusätzliche Tätergruppen in den Vollzug bringt." Auch brauche ein Terrortäter andere Betreuung als ein psychisch kranker Täter, betonte sie.

Kritisch gesehen wird vom Netzwerk auch der von der Regierung vorgeschlagene Entzug der finanziellen Ressourcen für verurteilte Straftäter. Dies sei ein "Nährboden für deren weitere Radikalisierung und trägt nicht zur Sicherheit der Gesellschaft bei". "Das wäre kontraproduktiv", so Matejka.

Die Präsidentin der Richtervereinigung betonte, dass der Regierungsvorschlag auch Positives enthalte, etwa Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit zwischen den involvierte Behörden oder zur Prävention bzw. den Plan, bei der Risikoeinschätzung effizientere Methoden zu entwickeln. (APA)

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