Pensionen: Schnellerer Lohn für längere Arbeit

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WKO-Präsident Christoph Leitl schlägt ein "völlig neues" Anreizmodell für ältere Arbeitnehmer vor: Wer länger arbeitet, als er muss, bekommt ein Viertel der Pension als Zuschuss. Experten warnen vor den Kosten.

Alpbach (gau). Die Wirtschaftskammer (WKO) lässt mit einer Idee aufhorchen, wie man die Österreicher für einen späteren Pensionsantritt begeistern könnte. Das Ziel: Die Menschen sollen um vier Jahre länger arbeiten und im Schnitt statt mit 58 erst mit 62 Jahren (wie in Schweden) in den Ruhestand treten. Das könnte das Pensionssystem entlasten.

Die Rechnung ist nicht neu. Auch die Idee, finanzielle Anreize zu einem freiwillig verlängerten Berufsleben zu schaffen, wäre noch nicht der Stein der Weisen: Beim schwedischen Erfolgsmodell bekommen Verlängerer, wenn sie ihre Pension antreten, auf diese einen großzügigen Zuschlag.

Das schwedische Modell wollte WKO-Präsident Christoph Leitl längst schon für Österreich adaptieren. Bei dem neuen, in Alpbach präsentierten Konzept aber hängt die Karotte zeitlich näher. Statt erst in der Zukunft für unermüdlichen Fleiß belohnt zu werden, soll man sofort profitieren können.

Das „völlig neue“ Modell, das nirgends praktiziert wird, funktioniert so: Die Pensionsversicherungsanstalt zahlt dem Arbeitnehmer ein Viertel seiner nicht genutzten Pension als Lohnzuschuss aus. Dieser hat den zusätzlichen Vorteil, dass er auf mehr Beitragsjahre kommt und dadurch später zu einer höheren Pension.

Aber auch das Unternehmen, das weiter anstellt, wird belohnt: Es darf ein weiteres Viertel des Pensionsanspruchs als Zuschuss kassieren. Das nähme Druck von dem Faktum, dass ein sechzigjähriger Mitarbeiter im Schnitt das Doppelte eines dreißigjährigen kostet. Die Pensionsversicherung schließlich würde sich immer noch die Hälfte der Betrages sparen, den sie sonst als Pension ausschütten müsste. Dazu kommen die Beitragszahlungen, die der Versicherte weiter leistet. Dieses „Win-win-win“-Modell sei ein attraktiveres Angebot als die bestehenden Aufschläge bei der Korridorpension. Nur 400 Menschen lassen sich für zwei Prozent netto dazu überreden, länger als bis 65 zu arbeiten.

Der Vorschlag ist frisch geboren, nur Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wurde von Leitl am Vorabend in Alpbach informiert. Und er sei interessiert, „man muss sich das durchrechnen“.

Unwirksam oder unfinanzierbar

Ulrich Schuh, der Pensionsexperte beim Institut für Höhere Studien (IHS), will im Gespräch mit der „Presse“ erst gar nicht zu rechnen beginnen – und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen: „Eine charmante Idee für Firmen und ihre Mitarbeiter, aber bezahlen müsste das der Steuerzahler.“ Im besten Fall wäre das Modell unwirksam, im schlechtesten unfinanzierbar: ein „Bumerang“, weil „ausnehmend kostspielige“ Anreize die Schleusen im Pensionssystem „noch weiter öffnen würden“.

Unwirksam wäre das Modell, wenn es nur auf die Regelpension von 65 Jahren angewandt wird, die fast niemand erreicht (das, und nicht zu geringe Aufschläge, sei auch der Grund für die geringe Akzeptanz der bestehenden Anreize).

Gefährlich würde das Angebot, wenn es auch für künftige Bezieher einer Hackler- oder Invalididätspension (das sind zwei Drittel der Neuzugänge) gelten soll – wer ohnehin schon „auf der Sonnenseite gelandet“ sei, würde nochmals „massiv subventioniert“.

Bleiben die Aspiranten auf eine Korridorpension. Zufrieden damit, mit Abschlägen früher aus dem Berufsleben auszuscheiden, können sie als typische Österreicher gelten: „Studien zeigen, dass bei uns finanzielle Anreize keine entscheidende Rolle spielen.“

Der WKO-Ansatz aber könnte allzu verlockend sein und das versicherungsmathematische Gleichgewicht stören. Anders sei das in Schweden oder Polen, wo es zwar hohe Aufschläge, aber ebenso hohe Abschläge gibt. Das halte das System in der Balance – es rechnet sich, auch auf lange Sicht. Leitl wäre also besser, so Schuhs implizites Fazit, bei seiner Leidenschaft für die Schweden geblieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.08.2010)

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