Afrika

Tod von CIA-Agent in Somalia könnte US-Abzug beschleunigen

U.S. Air Force
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In der noch amtierenden US-Regierung gibt es Pläne zum schnellen Verlassen des afrikanischen Krisenstaates. Dieser wurde indes zuletzt halbwegs stabilisiert, in Kürze finden Wahlen statt. Ein Abzug der USA würde ihn schwächen und islamistische Milizen dort ermutigen.

Der Tod eines Agenten des US-Auslandsgeheimdiensts CIA in Somalia könnte die innerhalb der noch amtierenden US-Regierung kreisenden Pläne, die militärischen Kräfte in dem ostafrikanischen Krisenstaat praktisch komplett abzuziehen, beschleunigen.

Der altgediente Mitarbeiter der CIA gehörte laut „New York Times" der paramilitärischen CIA-Spezialeinheit SAC (Special Activities Division) an, die bei besonders gefährlichen Spezialaufträgen eingesetzt wird, etwa bei der Infiltration feindlichen Gebietes, Fallschirmeinsätzen im Hinterland, Sabotage, Fernaufklärung, Geiselbefreiungen, Festnahmen und gezielten Exekutionen. Laut Bericht starb der Mann an Verletzungen, die er kürzlich während eines nicht näher erläuterten Einsatzes erlitten hatte. Soweit bekannt, hat es sich um ein Gefecht gehandelt. Die Central Intelligence Agency wollte das nicht kommentieren.

Ein ungünstiger Zeitpunkt

Dass CIA-Agenten im Einsatz fallen, ist im Vergleich zu Opfern des Militärs und militärischer Spezialkräfte selten. Dieser Vorfall jetzt kommt indes - strategisch gesehen - besonders ungünstig: Seit kurzem wird in der US-Regierung und im Pentagon nämlich erwogen, analog zur laufenden Reduktion der Truppen im Irak und in Afghanistan (je auf nur etwa 2500 Mann) die etwa 700 in Somalia stationierten US-Soldaten praktisch komplett, oder ganz, abzuziehen, und zwar bis vor der Amtsübergabe von Präsident Donald Trump an Joe Biden am 20. Jänner. Das könnte massiv zu Lasten der Rest-Stabilität des Landes gehen und die dort aktiven islamistischen Milizen und Terrorbanden kräftig anfeuern.

Daran würde auch die Tatsache wenig ändern, dass die USA und andere Staaten im benachbarten Djibouti bedeutende Garnisonen unterhalten und auch von dort aus Aufklärungs- und Kampfmissionen in Somalia durchführen.

Die gefährliche al-Shabaab-Miliz

Die USA sind seit Jahren in Somalia besonders aktiv. US-Militärs und Geheimdienstler kämpfen dort am Boden, mit Drohnen und Kampfflugzeugen nicht zuletzt gegen die islamistische al-Shabaab-Miliz und bilden somalische Sicherheitskräfte aus. Die Miliz ist mit dem Extremistennetzwerk al-Qaida verbündet und soll 5000 bis 10.000 Kämpfer haben, die die anerkannte somalische Regierung in Mogadischu stürzen und einen islamischen Staat gründen wollen.

REUTERS

Ein heuer veröffentlichter, offizieller US-Bericht bezeichnete die al-Shabaab als "wachsende Bedrohung" und warnte, dass die Kämpfer trachteten, einen Anschlag auf US-Territorium zu verüben.

Auch die Afrikaner wollen weg

Erst seit 2019 gibt es übrigens wieder eine US-Botschaft in Mogadischu; im Jänner 1991 war diese angesichts der Wirren des somalischen Bürgerkriegs und des Zusammenbruchs der Regierung dort evakuiert worden und wurde auch in den folgenden Jahren nicht mehr eröffnet, als ausländische Truppen im Rahmen einer UN-geführten Intervention (letztlich erfolglos) das Land zu befrieden versuchten und US-Truppen das Botschaftsareal als Garnison benützten.

DoD/Perry Heimer

Aktuell bereitet sich Somalia (vielleicht 16 Millionen Einwohner) auf Parlaments- und Präsidentenwahlen vor; sie hätten eigentlich schon heuer stattfinden sollen. Die Wahllokale könnten von den Islamisten mit Terror überzogen werden. Zudem machen sich auch in der afrikanischen Somalia-Friedenstruppe Amisom, zuletzt rund 19.000 Mann stark, Absetzbewegungen bemerkbar; sie soll ohnehin 2021 großteils abziehen, hier ist aber noch einiges in Bewegung.

Die somalische Sicherheitsexpertin und Regierungsberaterin Samira Gaid hält die öffentlichen Abzugserwägungen zum jetzigen Zeitpunkt für destruktiv und womöglich folgenreich. Schließlich sei es in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchaus gelungen, die Sicherheitslage merklich zu verbessern. Mit Hilfe der USA, europäischer und afrikanischer Länder, der Türkei und anderen wurden die Regierungstruppen auf aktuell etwa 20.000 bis 25.000 Mann mit einigermaßen akzeptabler Ausrüstung gebracht und auch die Polizeikräfte verstärkt.

Die „Blitz"-Brigade der somalischen Regierung

Zwischen der US- und der somalischen Regierung sei, so Gaid, eine Art „Kriegsrat" eingerichtet worden; dort würden somalisch ausgeführte Militäroperationen geplant, und über diese hielten US-Kräfte „ihre schützende Hand".

US-Offiziere und Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen trainieren auch die somalische Spezialtruppe „Danab" (Blitz). Diese als Brigade titulierte Formation ist aktuell etwa 1000 Mann stark, könnte auf 3000 Mann erweitert werden und hat sich schon in mehreren Gefechten mit islamistischen Milizen sehr gut bewährt.

Amisom

Die USA stellen bei Danab-Einsätzen auch Luftunterstützung und Aufklärung bereit. Militärexperten berichten, dass es im Rahmen dieser Brigade gelungen sei, die traditionellen Clanstrukturen und Stammesloyalitäten aufzubrechen, die die Funktionsfähigkeit nationaler somalischer Armeeeinheiten sonst so stark erschweren.

„Danab war gerade dabei, zu expandieren", sagt Gaid, und fragt sich, ob die Eliteeinheit nach einem US-Abzug autonom funktionieren könne. Diesfall könnte allerdings die Türkei aushelfen, die ihre Militärpräsenz in Somalia in jüngster Zeit verstärkt und bereits zahlreiche Danab-Soldaten und -Offiziere aus- bzw. weitergebildet hat.

Laut US-Quellen bestreitet Danab bereits fast 80 Prozent aller offensiven Aktionen der somalischen Streitkräfte gegen Islamistenmilizen, und praktisch alle gegen die al-Shabaab, der ein Abzug der Amerikaner wie erwähnt Aufwind verschaffen könnte. Auch ein verstärktes türkisches Engagement wird indes vorerst nicht als gleichwertiger Ersatz für US-Kräfte in Somalia gesehen, zudem sich andere Staaten, etwa Russland und Südafrika, bisher nicht als mögliche neue „Stütz-Macht" für die somalische Regierung hervorgetan haben.

(AFP/AP/Greber)

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