Interview

„Wir werden teilweise leider ein Sterben der Betriebe sehen“

(c) Die Presse /Clemens Fabry
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Der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) will der Wirtschaft mit dem stadteigenen Beteiligungsfonds durch die Krise helfen. Spielraum für Gebührensenkungen sieht er nicht.

Die Coronakrise trifft in Österreich vor allem den Tourismus – und ganz besonders jenen in den Städten. In Wien ging die Zahl der Nächtigungen von Mai bis September um 80 Prozent zurück. Wie wollen Sie das große Hotelsterben im Winter verhindern?

Peter Hanke: Vom Bund wird bei diesem Thema in Form der Coronahilfen ja bereits einiges getan. Und wir als Land wollen hier noch zusätzlich tätig werden. So hat Wien eine Hotelförderung ins Leben gerufen, bei der wir bis zu 50.000 Euro je Standort zur Verfügung stellen, um das Hochfahren der Hotellerie zu erleichtern. Die Vergleichsgröße für die Finanzierung sind sechs Prozent des Nächtigungsumsatzes von März bis Mai 2019, die Abrechnung erfolgt am Ende der Finanzierung im Juni 2021. Gefördert werden Kosten für Buffet, Getränke, Marketing, Werbung und externe Dienstleistungen. Zusätzlich wird über den Wien Tourismus versucht, den Fremdenverkehrsstandort Wien in anderen Ländern, aber auch in den anderen Bundesländern stärker ins Bewusstsein zu rücken.

Wien hat sich in den vergangenen Jahren als Kongressstadt etabliert. Ist dieses Konzept noch haltbar? Dass sich mehrere tausend Menschen aus der ganzen Welt physisch an einem Ort treffen.

In der Welt nach Corona ist das sicher wieder haltbar. Aber natürlich darf man nicht die Augen vor den Veränderungen schließen, die in den vergangenen Monaten passiert sind und bleiben werden. So wird es auch bei Kongressen Mischformen mit digitalen Möglichkeiten geben. Und wir sind daher dazu aufgerufen, zu überprüfen, ob beispielsweise unsere Infrastruktur dabei State of the Art ist. Das werden wir im Messebereich auch machen. Und wir sind auch bereit, zusätzliche Investitionen zu setzen, wenn das notwendig ist. 2021 wird aber sicher noch ein Jahr sein, das sehr von Corona belastet ist.

Kann die Wiener Fremdenverkehrsstruktur dann so erhalten werden, wie sie vor der Krise war? Oder muss man akzeptieren, dass ein Teil der Betrieb sterben wird?

Wir werden teilweise leider ein Sterben der Betriebe sehen. Es wird auch eine Reduktion bei den Kapazitäten geben. Aber am Horizont ist auch schon eine Erholung zu sehen. Und wir als Stadt wollen den Wiener Betrieben bis dahin zur Seite stehen. Deshalb gibt es etwa unseren „Stolz auf Wien“-Fonds.

Neben dem Tourismus leidet auch der Handel sehr stark. Was halten Sie von der Idee, im Advent die Geschäfte am Sonntag öffnen zu lassen?

In dieser heiklen Frage der Sonntagsöffnung sollen die Sozialpartner gemeinsam nachdenken. Ich war daher etwas verwundert, dass so eine direkte Ansage seitens der Wirtschaftskammer Österreich ohne vorhergehende Gespräche gekommen ist. Hier sollte mit der notwendigen Empathie vorgegangen werden. Und die vermisse ich.

Und wie stehen Sie inhaltlich zu dem Thema?

Mir ist es sehr recht, wenn jeder Euro in dieser Stadt bleibt und nicht zu Amazon oder anderen Onlineplattformen abwandert. Für die Handelsangestellten kann die Sonntagsöffnung in dieser angespannten Phase, wo ihnen bereits viel abverlangt wird, jedoch kein Thema sein.

Wie könnte sonst dafür gesorgt werden, dass die Weihnachtsumsätze in der Stadt bleiben?

Indem man nach dem Lockdown möglichst schnell wieder zu einer Normalität zurückkommt. Da wäre mir ein klares Wort von der Bundesregierung wichtig, wie die Welt nach dem 6. Dezember aussieht.

Sie haben vorher schon den „Stolz auf Wien“-Fonds angesprochen. Anders als die Bundesregierung, die sich auf Garantien konzentriert, beteiligt sich die Stadt damit direkt an Unternehmen. Was ist der Sinn hinter dieser teilweisen „Verstadtlichung“?

Der Sinn ist das Zurverfügungstellen von Eigenkapital. Dieses ist ja notwendig, um Fremdkapitalfinanzierungen mit Banken weiterzuentwickeln. Bei vielen Klein- und Mittelunternehmen in Österreich ist eine zu geringe Eigenkapitalausstattung seit jeher ein Problem. Das zu verbessern, um den Firmen nach dieser schwierigen Zeit auch wieder die Expansion zu ermöglichen, ist unser Ziel. Wir sind daher auch Partner in der kommenden Expansionsphase und gehen bei Bedarf auch einen zweiten Investitionsschritt. Allerdings erfolgt alles nur auf Zeit. Nach sieben Jahren ziehen wir uns zurück. Wir wollen nicht den Markt langfristig beeinflussen.

Ihre ersten Beteiligungen waren ein Schmuckhersteller und ein Händler von Schmiermitteln. Was hat der Wiener Steuerzahler davon, dass sein Geld dort gebunden ist?

Es ist ja nicht nur Geld der Steuerzahler. Wir haben aus den 20 Millionen Euro der Stadt durch zusätzliche Investoren in Form von Banken oder Versicherungen 40 Millionen Euro gemacht. Und diese Privatinvestoren gehen den Weg mit uns, weil sie den Grundgedanken dieser Maßnahme mit uns teilen.

Inwiefern sind Sie nun bei operativen Entscheidungen in diesen Unternehmen eingebunden?

Wir wollen nicht Unternehmer spielen. Wir wissen, dass es die in Wien in genügend großer Anzahl gibt. Und das ist auch gut so. Wir wollen eine Unterstützung bei der Eigenkapitalthematik geben. Das Wirtschaften erfolgt bei den Unternehmen, und da mischen wir uns auch nicht ein.

Die Firmen dürfen aber für drei Jahre keine Kündigungen aussprechen?

Ja, das ist eine der Voraussetzungen für die Firmen, die Geld von dem Fonds erhalten. Denn wir brauchen in dieser Krisensituation, dass möglichst wenig Arbeitsplätze verloren gehen.

Welche Voraussetzungen gibt es noch?

Es muss eine genaue Unternehmensprüfung durchgeführt werden. Wir haben immer gesagt, dass wir Firmen unterstützen wollen, die gesund sind und nur jetzt durch die Corona-Pandemie in eine gewisse Schräglage gekommen sind. Das muss vorab von Wirtschaftsprüfern verifiziert werden.

Sie erwarten schlussendlich 60 bis 80 Beteiligungen. Können Sie da schon mehr Details nennen?

Wir haben eine lange Liste an Interessenten, die wir aus unterschiedlichsten Gründen nicht alle befriedigen können. Wir haben uns vorgenommen, dass jeden Monat drei bis vier neue Unternehmen hinzukommen sollen. Der Fonds wird bis Ende 2021 auf jeden Fall offen sein.

Was sind die entscheidenden Kriterien, warum ein Unternehmen eine Unterstützung erhält?

Wir umschreiben es mit „Wiener Identität“. Es geht also um Unternehmen, die langjährig am Wiener Standort tätig sind und die von der Arbeitnehmeranzahl her eine gewisse Wichtigkeit haben. Oder Firmen, die Produkte herstellen, die wir als Wienerinnen und Wiener sehr schätzen und wo es schade wäre, wenn es diese nach der Krise nicht mehr gäbe.

Kritiker sagen: Wien beschäftigt jetzt schon direkt und indirekt 80.000 Mitarbeiter und ist der größte Wirtschaftsfaktor in der Stadt. Nun soll die Krise genutzt werden, um diese Macht über die Wirtschaft weiter auszubauen.

Dazu gibt es ein klares Nein von meiner Seite, denn deswegen war mir auch die maximale Beteiligungszeit von sieben Jahren so wichtig. Es soll ein elastisches Instrument sein, das hier auf die aktuelle Situation reagiert.

Was machen Sie, wenn der Unternehmer nach sieben Jahren die von der Stadt Wien gehaltenen Anteile nicht zurückkaufen kann oder will?

Dann haben wir auch die Möglichkeit, sie auf unterschiedliche Weise zu verwerten. Die maximal 20 Prozent könnten dann auch an andere Investoren verkauft werden. Das wird beim Abschluss der Beteiligung gegenüber den Unternehmern auch klar und offen kommuniziert. Und sie würden in diesen Prozess natürlich auch eingebunden werden.

Welche Rendite erwartet sich die Stadt beim Exit in sieben Jahren?

Wir sprechen hier von einem Hilfsinstrument und nicht von einem Investitionsprojekt, wo die Gewinnerwartung im Vordergrund steht. Natürlich muss es in der Vorausplanung eine positive Entwicklung geben. Aber wir gehen nicht so weit, dass wir eine explizite Gewinnerwartung formulieren.

Der Unternehmer könnte es also um den gleichen Preis zurückkaufen, den er jetzt bekommt?

Auch diese Möglichkeit wird gegeben sein. Das hängt aber von der individuellen Vereinbarung zwischen den Unternehmen und dem Fonds ab.

Rechnen Sie auch mit Ausfällen bei den Beteiligungen?

Es wird wahrscheinlich auch Ausfälle geben. Aufgrund des wirtschaftlichen Risikos wäre jede andere Antwort nicht vernünftig. Wir werden uns aber selbstverständlich bemühen, die Ausfälle so gering wie möglich zu halten.

Künftig regieren Sie mit den Neos. Diese haben sich in der Vergangenheit immer für mehr Freiheit und Entlastung für die Wirtschaft eingesetzt. Inwiefern wird das nun umgesetzt?

Es gibt viele Gemeinsamkeiten, die wir in den Koalitionsverhandlungen erarbeiten konnten. Wir wollen uns vor allem im Förderbereich für die EPUs sowie für die kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt einsetzen. Etwa in Form der Home-Office- und Webshop-Förderung, die es ja bereits gibt.

Entlastung heißt auf kommunaler Ebene jedoch eher geringere Gebühren. Da gab es im Mai Anträge der Neos für die Aussetzung der Gebrauchs- und Dienstgeberabgabe oder eine Absenkung bei Wasser- und Müllgebühren. Diese wurden von Rot-Grün noch abgelehnt. Wird so etwas nun kommen?

Wir sind in dieser Coronakrise aufgefordert, mit Vernunft und offenem Visier in die nächsten Jahre zu gehen. Wir haben einerseits einen deutlichen Ausfall bei den Einnahmen und gleichzeitig einen Mehraufwand in Millionenhöhe aufgrund der Hilfen. Hier noch eine zusätzliche Reduktion im Bereich der Erträge zu veranlassen, wäre das falsche Signal.

Zur Person:

Peter Hanke (SPÖ) ist seit 2018 Wiener Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft und Arbeit. Er folgte in dieser Funktion auf die langjährige Stadträtin Renate Brauner. Seit Beschluss der rot-pinken Koalition aus SPÖ und Neos ist Hanke zudem zuständig für die Wiener Stadtwerke.

Der 56-jährige Hanke kommt aus einer traditionell sozialdemokratischen Familie. Sein Vater Erik Hanke war Geschäftsführer der Gewista und Wiener Gemeinderat. Hanke war vor seiner Berufung in die Landesregierung von 2002 bis 2018 Geschäftsführer der Wien Holding, bei der er bereits seit dem Jahr 1993 beruflich tätig war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2020)

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