Debütroman

Starke Frauen, große Kunst

Alena Schröder: „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“
Alena Schröder: „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“DTV
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Alena Schröders Debütroman erzählt von Raubkunst und Restitution und von mehreren Generationen außergewöhnlicher Frauen in einer Familie.

Senta kann dankbar sein. Auf einem Ball verschaut sich der begehrteste junge Mann des Abends in sie. Sie wird schwanger. Er heiratet sie, obwohl sie keine gute Partie ist und nicht übermäßig hübsch, so lang und dünn, wie sie ist. Und Senta? Ist nicht dankbar. Findet nicht hinein in ihre Rolle als Hausfrau und Mutter, wäre lieber anderswo. In Berlin nämlich, so wie ihre Freundin Lotte. Wer wäre in den Goldenen Zwanzigern nicht gern genau dort gewesen? Nach Jahren verlässt Senta Rostock, Mann und Kind und quartiert sich bei Lotte ein. Sie wird Journalistin und heiratet ihren Mentor in der Redaktion, einen jüdischen Reporter, dessen Eltern eine Galerie führen.

Als die Nazis die Macht übernehmen, werden deren Bilder beschlagnahmt. Die Schwiegereltern kommen nach Treblinka, Senta gelingt die Flucht. Später macht sie eine Liste jener Gemälde, an die sie sich erinnert. Unter anderem ein Bild von Jan Vermeer. Sie notiert, was es zeigt: „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid.“ Wo aber sind die Bilder heute? Das will Sentas Urenkelin, Hannah, herausfinden. Sie ist die zweite Protagonistin dieses Familienromans.

Alena Schröder ist selbst Journalistin und hat Sachbücher geschrieben. Das belletristische Schreiben ist anders. Analysen und Erklärungen sind hier nicht gefragt. „Show, don't tell“, predigen die Lehrenden in den Schreibseminaren. Schröder ist der Umstieg gut gelungen, die Geschichte fließt in wechselndem Tempo, aber schönem Rhythmus dahin, ohne zu holpern. CLE

Alena Schröder: „Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid“, DTV, 367 S., 22,70 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2020)

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