"Alarmsignal" bei Asylanträgen nur wegen 73 Mazedoniern?

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bdquoAlarmsignalldquo Asylantraegen wegen Mazedoniern(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Innenministerium ortet systematischen Missbrauch durch Roma. Deren Anzahl ist trotz Steigerungen äußerst gering. Was Sorgen macht, ist der sprunghafte Anstieg im August, so die zuständige Fachabteilung.

Wien. Innenministerin Maria Fekter hatte am Wochenende vor „rasant steigenden Asylwerberzahlen“ gewarnt und von einem echten „Alarmsignal“ gesprochen. Um zu verhindern, „dass aus der Asylgrundversorgung ein vorübergehendes Taschengeld für Roma aus südosteuropäischen Staaten wird“, warb sie einmal mehr für die Umsetzung der von ihr geforderten Anwesenheitspflicht für Asylwerber bei der Erstaufnahme.

Am Montag präzisierte schließlich der Leiter der Betreuungsstelle in Traiskirchen, Franz Schabhüttl, das von der Ressortchefin angesprochene Problem. Er erzählt von 15- bis 20-köpfigen Familienclans aus der Gegend um Skopje, die gezielt nach Westeuropa reisen, dort in beliebigen Ländern um Asyl ansuchen, dabei aber schon im Erstgespräch nach dem Asylantrag angeben, auf Wunsch auch wieder zurückzureisen. Warum?

„Weil ihnen für die Rückfahrt – zusätzlich zu den Reisekosten – je nach individueller Lage – ein Taschengeld von bis zu 370 Euro zusteht“, sagt Schabhüttl. Im Amtsdeutsch heißt das dann Rückkehrhilfe. In einem Land wie Mazedonien – und von dort kommen laut Innenministerium praktisch 100 Prozent der angesprochenen Roma – ist das eine Menge Geld. Immerhin ist fast jeder dritte Mazedonier arbeitslos.

Doch Schabhüttl erzählt noch mehr. Etwa von „Rückkehrern“, die unmittelbar hinter der nächsten Grenze aus dem Reisebus steigen, der sie eigentlich in die Heimat bringen soll. Und im nächsten Land einen weiteren Asylantrag einbringen, um noch einmal um Rückkehrhilfe anzusuchen. Dieser Vorgang, sagt Schabhüttl, ließe sich mehrfach wiederholen. Mazedonier brauchen zur Einreise in die EU nämlich kein Visum.

Das ist die eine Seite. Auf der anderen ist es fragwürdig, ob die Statistiken über das österreichische Asylwesen die angeblich dramatische Lage bestätigen. Ja, die Zahl der um Asyl ansuchenden Mazedonier stieg von Juli auf August (erste drei Kalenderwochen) um über 800 Prozent. Andererseits: In absoluten Zahlen geht es um gerade einmal 73 Anträge von Personen aus dieser Region.

Die Presse

Ziel: Abschreckung

Auch übers Jahr verteilt gab es schon deutlich mehr Asylsuchende. 2003 waren es 32.000. Nach 15.800 im Vorjahr würden es – dem bisherigen Trend folgend – 12.841 im Jahr 2010 sein. Wo liegt also das Problem?

„Was uns Sorgen macht, ist der sprunghafte Anstieg im August“, so eine offizielle Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung. Hält der Trend an, müsse man sich überlegen, bessere Ablaufstrukturen zu schaffen, um dem Ansturm gerecht zu werden.

Mit der Thematisierung in der Öffentlichkeit verfolgt das Innenministerium aber auch ein anderes Ziel: Abschreckung. Antragsteller, die das Asylwesen gezielt missbrauchen wollen, informieren sich in ihrem Herkunftsland vor der Abreise via Medien über die Lage vor Ort. Zeichnet sich dabei ein eher schwieriges Bild ab, wird das Zielland oft noch in letzter Minute geändert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2010)

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