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OMV: Rainer Seele über die Chemie eines nachhaltigen Wandels

CEO Rainer Seele im Interview
CEO Rainer Seele im InterviewCarolina Frank
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Der Weg führt weg vom Verbrennen wertvoller Ressourcen und hin zu deren Veredelung. Künftig sollen in der OMV Rohstoffe wie Öl zu hochwertigen und recycelbaren Produkten verarbeitet werden, die eine zentrale Rolle in unserem täglichen Leben spielen. Wie der Gas- und Ölkonzern zum Chemie-Unternehmen mutiert und dabei Ökonomie und Ökologie unter einen Hut bringen will, erzählt im Interview Vorstandsvorsitzender Rainer Seele.

Wenn man auf Wikipedia OMV eingibt, steht dort als erster Satz: „Die OMV ist ein international integrierter Öl-und Gaskonzern, der im Up- und Downstream-Bereich aktiv ist.“ Stimmt dieser Satz noch?

Jein. Klarerweise sind wir nach wie vor ein integrierter Öl- und Gaskonzern, aber diese Definition ist mittlerweile unvollständig. Wir haben in den letzten Monaten die Weichen für eine strategische Ausrichtung in Richtung Chemie-Konzern gestellt, die unser Unternehmen massiv verändern und vergrößern wird. Wir schaffen gerade ein integriertes und nachhaltiges Geschäftsmodell, das die Wertschöpfungskette der OMV in Richtung höherwertiger chemischer Produkte und Recycling erweitert und den Konzern damit für eine kohlenstoffärmere Zukunft neu positioniert.

Wir verlagern den Unternehmensschwerpunkt vom Verbrennen hin zum Veredeln wertvoller Ressourcen. Wir führen neue Energie- und petrochemischer Lösungen ein, um Rohstoffe zu Produkten zu verarbeiten, die für die Energiewende und das Leben der Menschen unersetzlich sind. Und indem wir mittels Recycling aus Abfall wieder hochwertige Produkte herstellen werden, gehen wir in Richtung Kreislaufwirtschaft, die das Kernelement nachhaltigen Wirtschaftens ist.

Das klingt für ein Unternehmen, das sich seit seiner Gründung 1956 als Öl- und Gaskonzern definiert, wie eine Revolution. Neusprachlich sagt man gerne Disruption dazu, wenn ein Geschäftsmodell „zerstört“ wird, um ein neues zu kreieren.  In jedem Fall ist es ein fundamentaler strategischer Sinneswandel, oder?

Hätten Sie mich vor zwei Jahren gefragt, wie die OMV weiter wachsen will, hätte ich geantwortet: Noch mehr Öl, noch mehr Gas, noch mehr Benzin und Diesel. Insoferne ist es richtig, dass die strategische Neuorientierung hin zu einem Chemiekonzern fundamental ist. Dennoch sehe ich die Transformation, die wir durchlaufen, eher als evolutionär, weil wir bei unserem neuen Weg auf unser ureigenes Knowhow fokussieren. Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen.

Spätestens seit Greta Thunberg und der weltweiten Beachtung, den ihr Einsatz für den Klimaschutz gefunden hat, ist der öffentliche Druck auf Unternehmen gewachsen, sich mit der Nachhaltigkeit des eigenen Wirkens konkret auseinanderzusetzen. Das gilt in besonderem Maße für unsere Branche. Wir standen vor der grundsätzlichen Frage, in welche Richtung wir gehen wollen, wenn wir langfristig ökologische und ökonomische Anforderungen unter einen Hut bringen müssen.

CEO Rainer Seele im Interview
CEO Rainer Seele im InterviewCarolina Frank

Ein denkbares Szenario war die Entwicklung hin zu einem Energiekonzern, der den Fokus auf Erneuerbare Energieträger richtet. Aber warum sollten wir etwas tun, was andere eingesessene Unternehmen viel besser können und wo wir keinerlei Wettbewerbsvorteil haben? Es geht doch darum, seine eigenen Stärken ins Spiel zu bringen. So ergab sich für uns in logischer Weise der strategische Schritt zur Chemie.

Mit Erdöl und Rohöl kennen wir uns aus, da macht uns niemand etwas vor. Es ging also bloß darum, das als fossiler Energieträger verpönte Erdöl als Rohstoff zu verstehen, der mit chemischen Lösungen zu nachhaltigen Produkten der Zukunft weiterverarbeitet werden kann. So gesehen würde ich übrigens auch nicht von einem fundamentalen Sinneswandel sprechen, sondern vielmehr von einem von Verantwortung geprägten Gehen mit der Zeit – auf dem Fundament unserer Unternehmensstärken. 

Als entscheidender Schritt auf diesem strategischen Weg in die Zukunft gilt die 2020 vollzogene, mehr als vier Milliarden Euro schwere Aufstockung des OMV Anteiles am Petrochemie-Unternehmen Borealis auf 75%. Zunächst eine rein auf den gigantischen Kaufpreis bezogene Frage: Wie war die größte Transaktion in der OMV Geschichte in einem Jahr möglich, das weltweit von einer historischen Wirtschaftskrise geprägt ist, die natürlich auch Ihre Branche und Ihr Unternehmen betrifft?

Ich bin ein Borealis-„Fan“ der ersten Stunde und habe das Unternehmen seit meinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender der OMV im Jahr 2015 im Kopf. Um so einen Megadeal zu stemmen, wie wir es heuer gemacht haben, braucht es nicht nur entsprechende Finanzkraft, sondern auch die Bereitschaft auf Verkäuferseite, einen Deal abzuschließen. Daraus ergibt sich eine zeitliche Opportunität. Wir haben die letzten Jahre damit verbracht, die OMV wieder auf gesunde, finanzstarke Beine zu stellen, um wachsen zu können. Das ist uns eindrucksvoll gelungen und hat somit die Basis für diesen Deal gelegt.

Unsere Überlegungen zur strategischen Neuausrichtung sind dann heuer soweit gereift, dass es der bestmögliche Zeitpunkt war, die Anteile an Borealis aufzustocken. Um den Kaufpreis zu finanzieren, haben wir strategiegetreu weitere Entscheidungen getroffen. So wurde im September der Vertrag zum Verkauf von 51% unserer Anteile an Gas Connect Austria an den Verbund unterzeichnet, das Closing soll in der ersten Hälfte 2021 folgen. Damit folgen wir unserer Strategie aus dem regulierten Geschäft auszusteigen. Außerdem konnten wir bereits unser Tankstellengeschäft in Deutschland zu einem äußert attraktiven Preis verkaufen. All das passt inhaltlich zur Umgestaltung der OMV.

Dann zurück zum Inhaltlichen. Wofür steht Borealis?

Die Borealis AG mit Sitz in Wien ist ein weltweit führender Hersteller hochwertiger Kunststoffe. Mit seinen knapp 7.000 Mitarbeitern in mehr als 120 Ländern und beinahe 10.000 Patenten ist  Borealis eines der innovativsten Unternehmen Österreichs. Die von Borealis hergestellten Produkte bilden die Grundlage für viele Kunststoffanwendungen, die ein fester Bestandteil des täglichen Lebens sind und spielen eine Hauptrolle in der Energiewende. Borealis ist aber nicht nur führend in der Polymer-Produktion, sondern auch hoch aktiv im Kunststoff-Recycling und Abfallmanagement. Das Unternehmen hat zum Beispiel das Projekt „Stop“ mitbegründet, das in Südostasien mit Städten zusammenarbeitet, um kosteneffiziente und kreislauforientierte Abfallmanagementsysteme zu implementieren und so die Verschmutzung der Meere einzudämmen. 

Und was trägt die Übernahme der Mehrheitsbeteiligung an dem Chemie-Unternehmen zur OMV Transformation konkret bei?

Durch die Integration von Borealis wird die OMV zu einem der wichtigsten Zulieferer für petrochemische Vorprodukte. Die Übernahme der Mehrheitsbeteiligung ist für uns insofern ein echter Game-Changer, als dass wir unsere Wertschöpfungskette verlängern, die künftig vom Bohrloch über die Verarbeitungen der Rohstoffe in den Raffinerien bis hin zu hochwertigen Kunststoffen reicht. Diese verlängerte Wertschöpfungskette bietet zudem mehr Möglichkeiten für unternehmerische Gestaltung. So können wir Produktionskapazitäten verschieben und beispielsweise eine mittelfristig rückläufige Kraftstoffproduktion durch größere Mengen an petrochemischen Produkten kompensieren.

CEO Rainer Seele im Interview
CEO Rainer Seele im Interview(c) Carolina Frank

Was Recycling und Kreislaufwirtschaft betrifft, entstehen großartige Synergien. Während Borealis auf mechanisches Recycling setzt, bringt die OMV ihre Kompetenz beim chemischen Recycling ein, etwa mit unserem Pilotprojekt ReOil, bei dem wir Pionierarbeit in der industriellen Weiterverarbeitung von Plastikabfällen zu synthetischem Rohöl leisten, das dann zu Kunststoffen weiterverarbeitet wird. Gemeinsam mit Borealis wollen wir also auch eines der führenden Unternehmen in der Recycling-Wirtschaft werden.

Kurz gefasst: Mit Borealis als neuem Kernstück der OMV Gruppe hat ein Transformationsprozess begonnen, der aus dem heutigen Öl- und Gasunternehmen morgen einen Gas-, Öl- und Chemie-Konzern macht, der noch übermorgen erfolgreich sein wird. 

Dann lassen Sie uns einen abschließenden Blick in die Zukunft der OMV werfen, die ja aktuell in der öffentlichen Wahrnehmung noch vor allem mit CO2-intensiver Erdölförderung, Raffinerien und Tankstellen in Verbindung gebracht wird. Wofür wird der Konzern in 10, 20 oder 30 Jahren stehen?

Für die effiziente und nachhaltige Verarbeitung von Rohstoffen zu jenen hochwertigen Kunststoffprodukten, die eine zentrale Rolle in unserem täglichen Leben spielen. Für klimafreundlich hergestellte und recycelte Produkte, die auch in einer weitgehend dekarbonisierten Welt nachgefragt werden und notwendig sind. Die Palette reicht von Verpackungen, Folien von Solarpanelen oder Oberflächenbeschichtungen für Windräder über Komponenten von Medizinprodukten, Smartphones und Computern bis hin zu Leichtbaukarosserien für die Generation der E-Automobilindustrie. In einem Satz: Die OMV wird für das Miteinander von Ökonomie und Ökologie stehen, für Wachstum, Wert und Nachhaltigkeit in einer Kreislaufwirtschaft.

Zur Person

Rainer Seele absolvierte sein Doktorats-Studium der Chemie an der Universität Göttingen. 1987 trat er in die Forschungsabteilung des Chemiekonzerns BASF ein und übernahm dort in weiterer Folge die Leitung der Stabseinheit Forschungsplanung und Controlling.

Innerhalb dieses Konzerns wurde er Vorstandsvorsitzender (ab 2002) des Gashandelsunternehmens WINGAS sowie (von 2009 bis 2015) des international tätigen Öl- und Gasunternehmens Wintershall. Seit 1. Juli 2015 fungiert Rainer Seele als Vorstandsvorsitzender der OMV Aktiengesellschaft. Sein Verantwortungsbereich umfasst die Gesamtleitung und -koordination des Unternehmens, das mit einem Konzernumsatz von 23 Milliarden Euro und rund 20.000 Mitarbeitern (Stand Ende 2019) zu den größten börsennotierten Industrieunternehmen Österreichs zählt.

> > > Mehr Infos unter: www.omv.at

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