Steirische Therme für das Armenhaus Polens

Regionalentwicklung. Die ostpolnische Region Lublin - das Armenhaus der EU - hofft durch Milliarden-Subventionen aus Brüssel auf eine bessere Zukunft. Know-how dafür liefert auch Österreich.

Lublin/Warschau. In der Steiermark gibt es bereits so viele Thermen, dass sie mit Auslastungsproblemen kämpfen. Für die ostpolnische Region Lublin bedeutet das Wort "Therme" aber vor allem eines: Zukunft. Eine Handvoll Gemeinden wollen im Ort Wawolnica einen Wellness-Tempel errichten - als Anziehungspunkt für den darbenden Fremdenverkehr. Know-how und Geld kommen aus dem Ausland: Eingefädelt vom polnischen Honorarkonsul in Graz, Gerold Ortner, haben steirische Geothermie-Spezialisten an einer Machbarkeitsstudie mitgearbeitet. Und bei der Finanzierung des Millionen-Projekts hofft man auf Geld aus Brüssel - in den nächsten Jahren für die Region zwei Mrd. Euro.

Die Woiwodschaft Lublin hat solche Impulse auch dringend nötig. Laut EU-Statistik ist sie die ärmste Region Europas. Gelegen im toten Winkel an den EU-Außengrenzen zu Weißrussland und der Ukraine ist sie traditionell agrarisch dominiert, die Infrastruktur ist schlecht, Industrie ist kaum vorhanden. Kein Wunder, dass rund 5000 junge Lubliner alljährlich nach Warschau und auf die britischen Inseln auswandern.

Schon in den ersten beiden Jahren der EU-Mitgliedschaft haben die Subventionen aus Brüssel das Bild Lublins zu verändern begonnen: In der pittoresken Altstadt ist bereits jedes zweite Haus renoviert. So manche Straße wurde von den allgegenwärtigen Schlaglöchern befreit, die Technische Hochschule wurde mit Computern ausgestattet. Die EU-Mittel - bisher 202 Mio. Euro - haben die Wirtschaft belebt und neue Arbeitsplätze geschaffen. In Lublin wachsen die Investitionen deutlich stärker als im polnischen Durchschnitt, berichtet Edward Wojtas, Marschall der regionalen Selbstverwaltung.

Das Ausmaß der EU-Subventionen ist in ganz Polen gewaltig: Für die nächste Finanzperiode 2007 bis 2013 sind nicht weniger als 81,1 Mrd. Euro budgetiert. Heuer machen die Regional-Förderungen 2,8 Prozent des polnischen Bruttoinlandsproduktes aus. Dieser Wert wird in den nächsten Jahren auf über fünf Prozent steigen.

Kritiker bezweifeln, ob Polen die Fördertöpfe ausschöpfen kann. Es gebe zu wenige Projekte, die Staatsverwaltung sei nicht effektiv genug, heißt es. Im Ministerium für Regionalentwicklung kann man diese Zweifel nicht teilen. "Bei der Ausschöpfung der Mittel sind wir Nummer vier unter den neuen EU-Staaten", sagt Ministerin Grazyna Gesicka. Seit dem EU-Beitritt vor gut zwei Jahren standen 8,5 Mrd. Euro zur Verfügung, davon sei bereits ein Viertel ausbezahlt. Für 85 Prozent der Mittel seien bereits Verträge abgeschlossen. Die Programme haben eine Laufzeit von bis zu neun Jahren.

Glaubt sie, dass es gelingt, 100 Prozent der EU-Töpfe auszuschöpfen? "Das wäre schön, aber es kann kein Wettlauf um Prozentsätze sein." Es gehe vielmehr darum, etwas auf die Beine zu stellen, das Polen zu mehr Selbstständigkeit befähigt. Laut polnischem Regional-Entwicklungsplan sollen bis 2013 durch EU-Programme 375.000 neue Jobs entstehen. Die Abwicklung der EU-Programme ist sehr komplex - derzeit laufen 70.000 Projekte parallel. Zudem ist der Staatshaushalt ziemlich angespannt, weshalb die nationale Kofinanzierung der EU-Projekte nicht gesichert ist.

Über die Verwendung der EU-Mittel tobt ein heftiger Streit zwischen Zentralregierung und Woiwodschaften: Warschau will ein Vetorecht gegen Projekte. Mit der Begründung, dass es einer bessere Koordination zwischen den Regionen bedürfe. Dort will man davon nichts hören: Alle Woiwodschaften sind - unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung - gegen eine "Zentralisierung".

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