Interview

Christian Berkel: „Jede Familie hat ihre Geheimnisse“

Eroeffnung der Frankfurter Buchmesse
Eroeffnung der Frankfurter BuchmessePeter Back / Action Press / picturdesk
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Der Schauspieler Christian Berkel hat mit seinem Debütroman „Der Apfelbaum“ einen Bestseller geschrieben. Auch in seinem zweiten Roman, „Ada“, befasst er sich mit seiner Herkunftsfamilie. Warum ihn seine jüdische Mutter ausgerechnet Christian nannte und wie es ist, sein Leben lang zwischen zwei Stühlen zu sitzen, erzählte er der „Presse am Sonntag“.

Sie sind Schauspieler. Eine Figur auf der Bühne oder im Film zum Leben zu erwecken ist eine Sache. Einen Roman zu schreiben eine ganz andere. Woher wussten Sie, dass Sie auch das können?

Christian Berkel: Ganz genau wusste ich es nicht. Allerdings begann Sprache in meinem Leben nicht erst mit der Schauspielerei eine große Rolle zu spielen, sondern viel früher. Als kleines Kind konnte ich in der Früh sehr schwer aufstehen, weil ich einen niedrigen Blutdruck hatte. Da sagte meine Mutter zu mir: „Ich wecke dich morgens eine halbe Stunde eher und lege dir eine Schallplatte auf. Dann kannst du zuhören und so langsam aufwachen.“ Und das waren allesamt Theaterplatten. Zwischen sechs und zehn Jahren hörte ich mich also durch die gesamte deutsche Dramenliteratur: „Emilia Galotti“, „Faust“, „Nathan der Weise“, „Die Räuber“, alles war dabei. Bereits mit elf Jahren kannte ich die Stücke in- und auswendig und war von der Sprache so begeistert, dass ich Schauspieler werden wollte. Das ist das eine. Das andere war, dass in der Beziehung zu meiner Mutter Sprache eine wahnsinnig wichtige Rolle gespielt hat. Sie war kein Kommunikationsmittel, sondern fast schon etwas Sinnliches. Emotionen und Zuneigung wurden bei uns weniger mit Umarmungen und Zärtlichkeiten zum Ausdruck gebracht, vielmehr über die Sprache. Sprache war für mich Berührung. Darum war es für mich auch sehr schmerzhaft, mitzuerleben, dass meine Mutter später aufgrund ihrer Demenz immer mehr ihre Sprache verlor. (Pause) Noch etwas hat eine Rolle gespielt: Als ich schon einige Jahre Schauspieler war, habe ich nebenher noch fünf Jahre lang in Berlin „Drehbuch und Regie“ an der Film- und Fernsehakademie studiert. In dieser Zeit habe ich viel geschrieben und eine Menge über Erzählstrukturen gelernt. Daher kam wohl auch mein Selbstvertrauen, was das Schreiben betrifft.

Beide Romane handeln von Ihrer Herkunftsfamilie, von Ihrer jüdischen Großmutter, die ihre Tochter – also Ihre Mutter – einfach in Deutschland zurückließ. Von Ihrem Vater, der in der Wehrmacht als Stabsarzt in Russland eingesetzt war. War es schwierig, über Menschen zu schreiben, die Ihnen so nahestehen?

Ich habe sehr schnell bemerkt: Die Tatsache, dass ich diese Menschen so gut kenne, erschwert es unheimlich, sie zu Figuren werden zu lassen. Wenn man so nah vor jemandem steht, sieht man ihn nicht.

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