Autoindustrie

Ford ist nur noch eine Geisterstadt in Brasilien

Bereits 2019 schloss Ford seine Fabrik in Sao Bernardo do Campo
Bereits 2019 schloss Ford seine Fabrik in Sao Bernardo do Campo(c) REUTERS (RAHEL PATRASSO)
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Ford schließt alle Fabriken in Brasilien. Nur eine kleine Stadt wird noch an den US-Autobauer erinnern.

Brasilia. Fordlândia liegt mitten im Amazonasbecken in Brasilien. In den 1920er-Jahren wollte der US-Automagnat Henry Ford hier mit einer Kautschukplantage günstig Autoreifen herstellen. Das Projekt floppte, heute ist die Ortschaft mit einst 8000 Einwohnern großteils eine Geisterstadt, nur ein paar hundert Menschen leben noch in Fordlândia.

Camaçari, Taubaté oder Belo Horizonte werden zweifellos nicht zu Geisterstädten, aber für die Bewohner ist es auf jeden Fall ein schwerer Schlag, was Ford am Dienstag angekündigt hat: Der US-Autobauer schließt seine Fabriken in diesen drei Städten, etwa 5000 Menschen verlieren ihren Job. Damit beendet Ford nach 101 Jahren die Fertigung im größten Land Südamerikas. Das Unternehmen schreibt wegen der Schließungen 4,1 Milliarden Dollar ab. Die Autofirma betreibt weiterhin je eine Fabrik in Argentinien und eine in Uruguay.

„Sehr schwere Entscheidung"

Vorstandschef Jim Farley sprach in einer Mitteilung von einer „sehr schweren, aber notwendigen“ Entscheidung. Camaçari und Taubaté sperren sofort zu, nur Ersatzteile werden noch für ein paar Monate gefertigt. Die Fabrik in Belo Horizonte schließt im vierten Quartal. Das Ende der Autofertigung in Brasilien sei Teil einer großen, elf Milliarden Dollar schweren weltweiten Umstrukturierung, heiß es in der Erklärung Farleys.

Brasiliens Wirtschaftsministerium bedauerte die Entscheidung. Sie stehe im Widerspruch zu der starken Erholung, die in den meisten Industriezweigen des Landes zu beobachten sei. Die Metallarbeitergewerkschaften riefen zu Demonstrationen auf.

Ford hat international schon länger Schwierigkeiten und verdiente zuletzt nur noch auf dem US-Heimatmarkt Geld. Neben Europa ist Südamerika für das US-Unternehmen ein großes Problemgebiet, im vergangenen Quartal fiel dort ein Betriebsverlust von 108 Millionen Dollar an.

Ford seit 101 Jahren in Brasilien

In Brasilien verkaufte Ford 2020 nach Daten des Nationalen Verbandes der Kraftfahrzeughersteller (Anfavea) 119.454 Autos – ein Rückgang um 39,2 Prozent im Vergleich zu 2019.

Vor zwei Jahren hatte der Autohersteller bereits sein mit mehr als 50 Jahren ältestes Werk in Brasilien in São Bernardo do Campo im Großraum São Paulo geschlossen. Ford war vor Volkswagen der erste große Autobauer in Brasilien und feierte 2019 sein 100-Jahr-Jubiläum in dem Land. VW gründete erst 1953 eine Tochtergesellschaft in Brasilien.

Sein regionales Hauptquartier in São Paulo will Ford nach eigenen Angaben behalten, auch der Kundenservice und die Vertriebsaktivitäten in Südamerikas größter Volkswirtschaft sollen erhalten bleiben. Die Fahrzeuge werden künftig vor allem aus Argentinien und Uruguay importiert.

Der Schritt des US-Autobauers ist angesichts der sinkenden Erträge nachvollziehbar. Es wird zweifellos auch nicht die letzte Bereinigung gewesen sein, die es im heurigen Jahr in der Autobranche gibt. Zu groß ist der Druck auf die Industrie. Zum teuren Wandel der Antriebe hin zum Elektroauto und den Arbeiten an autonom fahrenden Autos kam 2020 auch noch die Coronakrise. Und die Folgen des Virus sieht man deutlich an den Statistiken.

Großer Rückgang in Europa

Der weltgrößte Autobauer, VW, musste etwa bei seiner Kernmarke im vergangenen Jahr einen Rückgang von 15,1 Prozent hinnehmen. Das teilte das Unternehmen am Dienstag in Wolfsburg mit. Weltweit brachte die Marke im abgelaufenen Jahr rund 5,3 Millionen Pkw an die Kunden.

Um etwa ein Fünftel gaben die Verkäufe bei der VW-Tochter Škoda nach, ähnlich hoch war der Rückgang beim französischen Autobauer Renault. Die Franzosen verzeichneten 2020 konkret einen Absatzrückgang von 21,3 Prozent, Škoda musste ein Minus von 19,1 Prozent verkraften.

Beim bayerischen Hersteller BMW hat der Aufschwung in China den Corona-Einbruch abgefedert. Die Münchner verkauften 2020 mit 2,3 Millionen Autos um 8,4 Prozent weniger als im Jahr davor, nachdem sie noch im Dezember einen Rückgang um etwa zehn Prozent befürchtet hatten. Im vierten Quartal stand sogar ein Absatzplus von 3,2 Prozent auf 686.069 Fahrzeuge der Marken BMW, Mini und Rolls-Royce zu Buche, wie das Unternehmen mitteilte.

Insgesamt hat der Automarkt in Westeuropa 2020 mit einem dicken Minus von 24,5 Prozent gegenüber 2019 abgeschlossen. In den 18 Ländern Westeuropas (EU 14 sowie Großbritannien, Island, Norwegen, Schweiz) wurden in Summe 10,8 Millionen Pkw-Neuwagen verkauft. So schlecht wie im Jahr 2020 war der westeuropäische Automarkt seit 20 Jahren nicht, berichtete Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. (red./ag.)

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