Interview

Wie weiter, Mister Chomsky?

„Die Demokraten haben der Arbeiterklasse in den 1970er-Jahren den Rücken gekehrt. Man muss imstande sein, Menschen anzusprechen – und nicht nur Spielchen im Kongress zu spielen.“ Noam Chomsky über die USA nach Trump und seine Hoffnung: die Progressive Internationale.

Noam Chomsky, nach vier Jahren unter Trump hätten die Präsidentschaftswahlen für die Demokraten ein Spaziergang sein müssen. Warum haben die Demokraten aus den Geschehnissen nicht mehr Kapital geschlagen?


Die Demokraten haben der Arbeiterklasse in den 1970er-Jahren den Rücken gekehrt. Sie sind eine Partei von reichen Freiberuflern und der Wall Street. Das sind die Clinton-Demokraten, die in der Partei das Heft in der Hand haben.
Sehen wir uns an, was in den ölproduzierenden Bundesstaaten passiert ist. Es gab viele Berichte über einige überraschende Entwicklungen, zum Beispiel in Süd-Texas, der Grenzregion zu Mexiko, die auch ein ölproduzierendes Gebiet ist. Das sind zum größten Teil US-Bürger mexikanischer Abstammung. Sie hatten seit etwa 100 Jahren nicht für die Republikaner gestimmt. Jetzt haben sie Trump gewählt. Wie kam es dazu? Die Botschaft, die sie gehört haben, war: Biden will uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen, unser Leben kaputt machen und unsere Gemeinschaften zerstören, nur weil einige liberale Besserwisser irgendwo da draußen behaupten, es finde ein Klimawandel statt.

Also ist die Botschaft, die letztlich zu diesen Leuten durchdringt: Sie wollen das zerstören, was wir haben. Aber die progressive Botschaft, dass genau das durch etwas Besseres ersetzt werden könnte – das ist der Teil der Botschaft, der nicht zu ihnen durchkommt.

Die Demokraten haben keine Aktivisten in diese Gegenden geschickt, die gesagt hätten: Seht mal, wir müssen den Übergang weg von fossilen Brennstoffen zu einer anderen Energieproduktion vollziehen, daran gibt es nichts zu rütteln. Aber es gibt Möglichkeiten, das zu tun, durch die ihr ein besseres Leben und bessere Arbeit bekommt. Das ist alles machbar, hier sind unsere Ideen, wie das getan werden kann. Das haben sie nicht gemacht.

Die Demokraten haben aufgehört, vor Ort Aktivitäten zu organisieren, während die Republikaner auf örtlicher Ebene sehr präsent sind und alle möglichen Dinge organisieren. Ich sehe hier auch Parallelen in Europa.

Genau. Mit dem Brexit ist es ja dasselbe. Labour hat einfach nur gezaudert und nichts Definitives gesagt.Die Leute waren wütend, voller Ressentiments und sagten, wir wollen unser wunderschönes Großbritannien zurück und weg von diesen Europäern da. Das ist es, was sie gehört haben, und es ist verständlich. Es ist so ähnlich wie bei Trump, der sagt, ich werde euch retten, ich sorge dafür, dass ihr eure Jobs zurückbekommt, während er ihnen gleichzeitig das Messer in den Rücken rammt. Aber zumindest sagt er, dass die Leute ihm wichtig seien, während er ihr Leben in Wirklichkeit noch schwerer macht. Die Demokraten bringen es noch nicht einmal fertig, zu sagen, ihr seid uns wichtig.

Die Antwort auf die Frage, warum Trump diese treu ergebene Basis hat, wäre demnach: Wenn man nicht die Mühe auf sich nimmt, die Menschen zu organisieren, überlässt man das Feld solchen Demagogen.

Man muss imstande sein, Menschen anzusprechen – und nicht stattdessen nur Spielchen im Kongress zu spielen. Wenn man sich die verschiedenen Regionen ansieht, ist interessant, dass dort, wo es intensive örtliche Organisationstätigkeit gegeben hat, sie auch Erfolg hatte. In Süd-Texas hat sich die mexikanisch-amerikanische Gemeinschaft zum ersten Mal in einem ganzen Jahrhundert den Republikanern zugewendet. In anderen Regionen, zum Beispiel dort, wo ich jetzt lebe, in Arizona, hat es intensive Organisationsbemühungen vonseiten der Latino-Aktivisten in den örtlichen Latino-Gemeinschaften gegeben. Und sie hatten Erfolg. Dort stimmten sie gegen Trump.

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