Meister des Taktierens bietet Berlusconi Pakt an

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Mit seiner neuen Gruppierung "Zukunft und Freiheit für Italien" will Gianfranco Fini den Premier Berlusconi bis Ende der Legislaturperiode unterstützen. Hinter den Kulissen bastelt Fini an einer neuen Rechtspartei.

ROM. Es war ein Auftritt, wie ihn Gianfranco Fini liebt. Wochenlang, seit dem 29.Juli, hatte der italienische Parlamentspräsident geschwiegen und das Land und vor allem Premier Silvio Berlusconi im Unklaren über seine Absichten gelassen. Am Sonntagabend redete Fini, zum ersten Mal seit dem politischen Bruch zwischen den beiden Männern. Ort und Zeit waren mit Bedacht gewählt. Das Dorf Mirabello in der Nähe von Ferrara, in der roten Emilia Romagna, ist ein beliebter Aufmarschplatz von Neo- und Postfaschisten und spielt auch in Finis Biografie eine wichtige Rolle. In diesem Jahr konnte es den Andrang zur traditionellen Festa Tricolore kaum fassen.

Tausende kamen, um Fini zuzuhören, und der redete eineinhalb Stunden lang, geschliffen, staatstragend, scharf in der Analyse und schonungslos gegenüber seinem einstigen Mentor Berlusconi. Noch im September will Regierungschef Berlusconi im Parlament ein Fünf-Punkte-Regierungsprogramm mit der Vertrauensfrage verknüpfen, um den abtrünnigen Fini und seine Anhänger zum Offenbarungseid zu zwingen.

Kritik an Berlusconis „Selbstherrlichkeit“

Fini aber führte bei seinem Auftritt in Mirabello wieder einmal vor, wie virtuos er die Kunst des Taktierens beherrscht. „Das Volk der Freiheit gibt es nicht mehr“, beschied er kühl. Das „Volk der Freiheit“ (PdL) ist aus einer Fusion von Finis Alleanza Nazionale und Berlusconis Forza Italia hervorgegangen. In seiner Rede geißelte Fini die „stalinistischen Methoden“, mit denen man versucht habe, ihn aus der Partei zu drängen. Nicht minder scharf ging er mit Berlusconis selbstherrlichem Stil ins Gericht: „Regieren heißt nicht kommandieren.“

In die Enge getriebener Premier

Zum totalen Bruch – und damit zu sofortigen Neuwahlen – will es Fini aber noch immer nicht kommen lassen. Er bot dem Premier stattdessen einen „Pakt“ bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2013 an. Niemand, beteuerte Fini, könne ihm vorwerfen, „ein Verräter“ zu sein oder neue Allianzen zu schmieden, vielmehr wolle er den „wahren Geist“ der PdL fortführen.

Damit steht die Drohung im Raum, dass Finis neue Gruppierung „Zukunft und Freiheit für Italien“ (FLI) über den Fortbestand der Regierung entscheiden wird. Prompt lehnte der in die Enge getriebene Regierungschef einen solchen Pakt ab: „Ich werde Fini nicht erlauben, seine Funktion als Präsident der Abgeordnetenkammer auszunutzen, um meiner Regierung zu schaden, für sich Propaganda zu machen und die Weichen für seine eigene Partei zu stellen.“

Ende Juli hatte Berlusconi seinem langjährigen Weggefährten mit dem Ausschluss aus dem „Volk der Freiheit“ gedroht. Seither aber ist auch für Berlusconi die Luft dünn geworden, denn er hat im Parlament keine sicheren Mehrheiten mehr. Vor allem der Koalitionspartner Lega Nord drängt auf Neuwahlen. Berlusconi aber ist unschlüssig, schwankt zwischen Wut und der Einsicht, dass er Fini ausgeliefert ist.

Finis Kalkül ist klar: Er spielt auf Zeit, während er im Hintergrund eine neue, moderne Rechtspartei aufbaut. Von der träumt der 58-Jährige schon seit Jahren, mehrmals hat er sich dafür so radikal gehäutet, dass ihm seine Kritiker bis heute nicht über den Weg trauen. Vom Vorsitzenden des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) und Mussolini-Anhänger mutierte er zum überzeugten Europäer und Verfechter eines Rechtsstaates, in dem auch Ausländer das Wahlrecht erhalten sollen. 1994, nach der Implosion des alten Parteiensystems, wandelte er den MSI in die rechtskonservative „Alleanza Nazionale“ um.

Das war auch der Beginn seiner Zusammenarbeit mit dem neuen Stern am politischen Himmel, Silvio Berlusconi. Der Pakt hielt 16 Jahre lang und bescherte auch Fini hohe Ämter. Seinen wohl folgenschwersten politischen Fehler beging er, als er zustimmte, dass seine Partei mit Berlusconis Forza Italia zur PdL verschmolz. Das brachte zwar stabile Mehrheiten, Fini aber landete mit seinen Ambitionen in einer Sackgasse. Er will Berlusconi als Chef einer neuen Rechten beerben – und auch als Ministerpräsident. Dafür braucht er ihn noch, vorläufig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2010)

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