Staatsoper: Festliche, solide Saisoneröffnung

(c) Wiener Staatsoper
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Dominique Meyer als Direktor und Franz Welser-Möst als Generalmusikdirektor feierten Einstand mit einem untadeligen Repertoire-Tannhäuser, die im Juni hier ihre (nicht unumstrittene) Premiere gefeiert hatte.

Kontinuität ist Dominique Meyers Zauberwort – zumindest vorerst. Nicht nur den Mitarbeiterstab hat der neue Staatsopern-Direktor von seinem Vorgänger übernommen, sondern auch das Eröffnungsstück nebst fast der kompletten Besetzung: Mit Wagners „Tannhäuser“ begann Meyer seine erste Saison mit einer Produktion, die im Juni hier ihre (nicht unumstrittene) Premiere gefeiert hatte.

Also gar keine Änderungen nach über 18 Jahren Ioan Holender? Doch. Manche sind subtil: Website, Magazin und Programmzettel prangen in neuem, edlerem Layout. Andere haben Symbolkraft: Einen Direktor, der vor der Vorstellung im Foyer mit dem Publikum plaudert, hat es hier noch nicht gegeben. Eine musikalisch so seriös vorbereitete Saisoneröffnung zumindest selten. Wo seinerzeit Stars vom Rang eines Plácido Domingo über mangelnde Probenzeiten hinwegzutäuschen hatten, regierte an diesem Abend so etwas wie festlich gestimmte, entspannte Solidität.

Entspannt deshalb, weil zumal die im Juni gestresst und allzu hochdramatisch tönenden Damen nun einen günstigeren Eindruck hinterließen. Anja Kampe etwa, die die Elisabeth mit achtbarer Strahlkraft bewältigt. Der Wunsch nach einer etwas schlankeren, lyrischeren Stimme in dieser Partie bleibt jedoch ebenso aufrecht wie bei Michaela Schuster. Sie bleibt als Venus, selbst wenn sie vokal wesentlich kontrollierter wirkte, nach wie vor alles betörend Sinnliche schuldig. Schön, wenn typische Venus-Stimmen auch Fricka singen – der umgekehrte Fall ist weniger schön.

Tannhäuser Johan Botha sparte sich zwar den Kniefall im zweiten Akt, schien aber sonst wieder tapfer entschlossen, die Rede von seiner Unbeweglichkeit Lügen zu strafen. Könnte er seine lebhafte Mimik auch in vokaler Expression vermitteln, wären sängerisch alle Anforderungen dieser so heiklen, kräftezehrenden Partie erfüllt, die er diesmal gewohnt untadelig und, von Winzigkeiten abgesehen, frisch und ausgeruht sang.

Im Zentrum des Interesses stand aber ein Sänger, den Meyer erstmals an die Staatsoper geholt hat: der gefeierte Lied-Interpret Matthias Goerne. Sein Wolfram ist weniger intellektuell als der seines Rollenvorgängers Christian Gerhaher, bei ihm verbirgt sich die sensible Seele hinter einem täppisch anmutenden Äußeren. Sein weicher Bariton strömt balsamisch, nicht nur beim „Abendstern“ – und stößt doch auch an Grenzen, wenn es im Finale gälte, metallischen Kern zu zeigen, dem sängerfreundlichen Dirigenten zum Trotz.

Welser-Möst: Kapellmeisterliche Ruhe

„Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst“ heißt dieser nun am Besetzungszettel: Auch er ist, wie Meyer, kein Mann der Selbstinszenierung. An manchen Stellen nicht einmal einer, der Wagner mittels größtmöglicher Klänge inszenieren mag. Er denkt gar nicht daran, mehr Pulver als nötig zu verschießen, bleibt lieber den ganzen Abend über mit kapellmeisterlicher Ruhe ein unaufgeregter Sachwalter der Partitur, die er spürbar näher an Webers „Freischütz“ ansiedelt als etwa an der „Götterdämmerung“. Orchester und Chor erwiesen ihm mit konzentrierten, tüchtigen, klangschönen Leistungen den gebührenden Respekt.

Claus Guth (Regie) und Christian Schmidt (Ausstattung) scheitern vor allem an der Darstellung des gedachten Ortes „Venusberg“. Doch packend gerät ihnen der letzte Akt, sofern man sich auf die Bilderwelt von Wien im Fin de Siècle einlässt: Wolframs noble Frage „Elisabeth, dürft ich dich nicht geleiten?“ als Bitte zum Doppelselbstmord zu deuten, ist ein Einfall von wundersamer, berührender Traurigkeit – und nach wie vor der stärkste Moment dieser Produktion.

Die Nächsten Premieren

„Cardillac“ von Hindemith: 17.10.

„Alcina“ von Händel: 14.11.

„Don Giovanni“: 11.12.

„Le Nozze di Figaro“: 16.2.2011

„Anna Bolena“ von Donizetti: 2.4.

„Kátja Kabanová“ von Janácek: 17.6.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2010)

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