Pizzicato

Plötzlich britischer als die Briten

Dargaud
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Österreicher gelten im angelsächsischen Raum oft als undisziplinierte Ansteller. Beim Corona-Impfen schaut's plötzlich anders aus: Man rüffelt Vordrängler. Wonderful! Wenn da nur die Inquisition nicht wär.

Österreicher seien „unruly queuers", also beim Anstellen unordentlich, undiszipliniert, kann man in so manchen englischsprachigen Berichten über unser Land lesen.

Besonders lustig hat das der „Xenophobe's Guide to the Austrians" formuliert, eine Art Reiseführer in die österreichische Seele bzw. Bedienungsanleitung für uns, erschienen erstmals 1994 beim Verlag „Oval Books" in London*: Die Fähigkeit zum korrekten Anstellen, so heißt es dort, markiere die Grenze „zwischen der ,europäischen'- und der ,Balkan-Mentalität'". Dass Österreich auf dieser Grenze liege, zeige die dortige Anstellpraxis: Österreicher könnten das zwar durchaus, aber eben nicht so ganz. Sie neigten zum Drängeln, zum Bedrängen und Nervösmachen des Vordermanns, zum Sich-Vorbeischwindeln an diesem (oder dieser; wie gendert man „Vordermann" eigentlich? Wurscht.).

Also an dem, was die Lords der Anstellkultur da sagen, ist klar etwas dran. Wir sind allerdings dabei, uns zu bessern. Beweis: Der Wirbel um die „Impfdrängler", also jene Politiker und Politikerinnen mehrerer Parteien meist auf Gemeindeebene, um Promis und Funktionäre, die auf welche Art auch immer früher als geplant die Anti-Covid-Spritze bekamen. Der Aufschrei ist deswegen groß, mitunter zu Recht. Allerdings ist „Aufschrei" ein hässliches Wort - und bis zum hysterischen Hassgekreische ist es nur ein kleiner Steinwurf.

Jedenfalls: Wenn's ums Anstellen zum Corona-Impfen geht, wird „der" Österreicher plötzlich wie der Brite, sogar britischer als der Brite. Wir können das mit dem korrekten Anstellen sicher woanders auch, können wir? Wenn's noch mit einem Tick weniger Geifer, Inquisition, Fingerzeigen und An-den-Pranger-Stellen ginge, wäre das quite excellent indeed! (wg)

wolfgang.greber@diepresse.com

*Link zu dem Büchlein

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