Er wird bewundert, verehrt, abgrundtief gehasst.
Podcast „Coronavirus-Update“

Mein Jahr mit Christian Drosten

Als Weltgemeinschaft sind wir in etwas hineingeraten, was vor einem Jahr noch unvorstellbar schien, obwohl Epidemiologen seit Langem damit rechneten: in eine Pandemie, deren Verlauf die Menschheit zum ersten Mal in der Geschichte praktisch in Echtzeit verfolgen kann. Drostens Podcast fasziniert mich und Millionen andere seit einem Jahr, weit über unseren Bedarf an Neuigkeiten zur Seuche hinaus.

Vor einem Jahr kannte außerhalb der virologischen Spitzenforschung niemand den Namen Christian Drosten. Aber schon ab März wurde der Charité-Professor und Experte für neu auftretende Viren („emerging viruses“) zu einem der bekanntesten Menschen Deutschlands. Wobei „bekannt“ hier eine nicht alltägliche Spannweite hat: Drosten wird bewundert, verehrt und abgrundtief gehasst. Dieser zweite Teil – die Verunglimpfungen, böswilligen Verdrehungen seiner Zitate, die Morddrohungen und widerlichen Fotomontagen, die von verrohten Demonstranten in die Höhe gestreckt werden (und nein, da zählt nicht Meinungsfreiheit, sondern ein Minimum an Umgangsformen!), sollen uns nicht interessieren; sie gehen von einer Minderheit aus, wenn auch von einer lauten, die zu viel Aufmerksamkeit erhält.

Als Weltgemeinschaft sind wir in etwas hineingeraten, was vor einem Jahr noch unvorstellbar schien, obwohl Epidemiologen seit Langem damit rechneten. Ausnahmesituation wäre ein zu schmächtiges Wort für die Pandemie, deren Verlauf die Menschheit zum ersten Mal in der Geschichte praktisch in Echtzeit verfolgen kann. Drosten hat sie früh als „Katastrophe in Zeitlupe“ bezeichnet. Aber für eine quälend langsame Gefahr ist die menschliche Natur genauso wenig eingerichtet wie für das Verständnis der Exponentialfunktion. Man kann sich zwar sagen, dass aus einem tropfenden Wasserhahn in zwei Tagen ein Rohrbruch und in vier Tagen ein Tsunami werden wird – doch der Mandelkern in unserem Gehirn, die Amygdala, die die lebensrettende Angst auslöst, wird nicht auf Wassertropfen reagieren, auch nicht auf nasse Füße. Und das ist grundsätzlich sinnvoll, außer eben bei Phänomenen mit exponentieller Entwicklung. Da sollten die nassen Füße bereits panisch rennen.

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