Migranten an der türkisch-griechischen Grenze im Februar 2020.
Türkei

Geplatzte Migrantenträume: „Ich werde es versuchen, bis ich es schaffe“

Vor einem Jahr öffnete die Türkei ihre Landgrenze zur EU für Flüchtlinge. Was wurde aus den Menschen, die Präsident Erdoğan damals an die griechische Grenze karren ließ und die wieder umkehren mussten? Eine Reportage.

Ali glaubte, er hätte es geschafft. Vor einem Jahr hörte der junge Senegalese in Istanbul, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Grenze mit Griechenland für Flüchtlinge geöffnet habe. Zusammen mit Freunden machte sich Ali auf den Weg und überquerte den Grenzfluss Maritsa. Zuerst lief alles nach Plan. Die Gruppe versteckte sich eine Woche lang in einem Wald nahe der Kleinstadt Komotini. Von dort aus wollten sie weiter nach Westeuropa. „Deutschland und die Niederlande sind meine Traumländer“, sagt Ali. Doch die Reise dorthin blieb ein Traum. Griechische Soldaten entdeckten die Gruppe im Wald und schickten sie in die Türkei zurück. Nun wartet Ali auf die nächste Chance.
Was für Ali und seine Freunde ein Grund zur Hoffnung war, war für Europa ein Schock. Am 28. Februar vergangenen Jahres fuhren in Istanbul erste Reisebusse voller Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern in die Grenzstadt Edirne ab, wo die Menschen an die Maritsa marschierten. Die türkischen Grenztruppen ließen sie passieren.
Erdoğan hatte schon länger angekündigt, er werde die „Tore öffnen“ und hunderttausende Flüchtlinge nach Europa schicken. Der türkische Präsident ärgerte sich über die mangelnde Unterstützung für die türkische Politik in Syrien. Wenige Wochen vor der Grenzöffnung hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch in der Türkei noch zusätzliche deutsche und europäische Hilfe für die Versorgung von 3,6 Millionen Syrern versprochen. Doch das reichte Erdoğan nicht. Er ließ über seinen Sprecher verkünden, die Türkei werde die Flüchtlinge nicht mehr aufhalten. Innerhalb weniger Tage sammelten sich zehntausende Menschen in Edirne.

Traum von Deutschland

Ali, der seinen wahren Namen nicht genannt wissen will, hatte auf eine solche Chance gewartet. Der 28-jährige ist seit sechs Jahren auf dem Weg aus seiner Heimat Senegal nach Europa. Zunächst versuchte er, von Marokko aus in die EU zu kommen, fünf Jahre später hatte er so viel Geld beisammen, dass er in die Türkei weiterziehen konnte. „Ich muss meine Familie daheim unterstützen“, sagt er der „Presse“. Im Senegal sieht er keine Zukunft. Er will in Europa studieren. In Marokko hat er Arabisch gelernt, außerdem kann er Englisch, Spanisch und Französisch. „Ich könnte in Deutschland als Dolmetscher arbeiten“, sagt er.
Freunde Alis sind längst in Düsseldorf angekommen und als Flüchtlinge anerkannt. „Die haben es geschafft“, sagt Ali. Über Albanien und andere Balkanländer schlugen sich Alis Freunde in die Bundesrepublik durch. „Wir hatten uns in mehrere Gruppen aufgeteilt. Sie sind durchgekommen, doch wir wurden geschnappt“, sagt Ali. „Pech, Pech, Pech.“

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