Nix für kleine Kinder: Migranten aus dem All

Streamingtipps. Disney startet Star, seinen Streamingkanal „für Erwachsene“, mit einer demonstrativ deftigen Zeichentrick-Sitcom. Dergleichen gibt es mehr – auch für sensible Gemüter. Sechs Empfehlungen.

Solar Opposites

Mit dem diese Woche gestarteten Zusatzkanal „Star“ hat der Streamingdienst Disney+ sein Angebot um nicht jugendfreien Content ergänzt. Der Einstand ist mit „Solar Opposites“, dem jüngsten Streich der „Rick and Morty“-Schöpfer, bestens gelungen. Mehr noch als ihr Vorgänger-Opus über die bizarren Weltraumreisen eines zynischen Wissenschaftlers und seines einfältigen Enkels ist diese Sci-Fi-Sitcom der Anarcho-Satiriker über eine Alienfamilie, die in einer US-Kleinstadt strandet, extrem brutal und obszön. Körper werden im Sekundentakt verstümmelt, zerquetscht oder aufgeschlitzt. Der Humor ist schlüpfrig und deftig. Und die Parodien auf Disney-Klassiker wie „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“ sind glatte Umkehrungen der Mickey-Mouse-Idyllen: Hier ringen die technologisch verkleinerten Menschlein in Behältern um Luft und sterben fast vor Angst.

Indes wirkt die Fremdenfeindlichkeit der Menschheit nicht ganz unberechtigt, wo sie von den Aliens doch regelmäßig in Apokalypsen gestürzt oder durch Lasertechnik in Massenhypnose und Kleinwüchsigkeit versetzt wird. Sympathische Opfer sind diese Besucher nicht. Aber jedenfalls sehr würdige Hofnarren im Zauberreich des Streaming-Giganten. (mt)Disney+

BoJack Horseman

Während „Tuca & Bertie“ (Netflix), die schöne Soloserie der Zeichnerin und Produktionsdesignerin Lisa Hanawalt, leider bereits nach zehn Folgen eingestellt wurde, brachte es ihr unter der Leitung von Raphael Bob-Waksberg (der auch „Undone“ mitverantwortet hat) entwickeltes Hauptprojekt, die Tragikomödie „BoJack Horseman“, auf satte sechs Staffeln. Deren abschließender Teil wurde erst Ende vergangenen Jahres veröffentlicht. Und verschaffte der Show einen neuen Aufmerksamkeitsschub. Ex-Fernsehpferdestar BoJack (Will Arnett) müht sich darin weiterhin nach besten Kräften, dem Sog seiner Depression zu entkommen. Doch der Mehrwert liegt vor allem in politisch-satirischen Seitensträngen. (and)Netflix

Big Mouth Die Peinlichkeiten der Pubertät

Wer hätte gedacht, dass der Albtraum der Pubertät Material für eine ganze Animationsserie bietet? „Big Mouth“ stellt seit 2017 unter Beweis, dass sich rückblickend herzlich über die Peinlichkeiten des Erwachsenwerdens lachen lässt. Staffel vier (letzten Dezember erschienen) schickte ihre hormongebeutelten Hauptfiguren (gesprochen von einem hoch motivierten Komödianten-Ensemble) ins Ferienlager, wo sich angehende Teenager aller Geschlechter und sexuellen Orientierungen mit Sozialpanik, sintflutartigen Regelblutungen und anderen Daseinsplagen herumschlagen müssen – während imaginäre Triebteufelchen ihnen mit (dubiosem) Rat zur Seite stehen. Wer das alles eklig findet, war nie jugendlich. (and)Netflix

Bob's Burgers Eine wirklich nette Familie

Zeichentrickfamilien tendierten in den 2000ern zu Streitsucht und Boshaftigkeit. Loren Bouchard brachte das Konzept 2011 zu seinen versöhnlichen Sitcom-Wurzeln zurück. Die Belcher-Familie, die zusammen einen Durchschnittsburgerladen schmeißt, hat Probleme wie jede andere Sippschaft. Aber sie hält zusammen und hat sich gern. „Bob's Burgers“ zehrt nicht zuletzt von einer Erdung in den Alltags- und Lebensrealitäten der unteren Mittelschicht – bleibt aber schräg genug, um nie in Sentimentalität zu versinken. Das wurde mit elf Staffeln belohnt. Fünf davon gibt es (leider nur zum Kauf) auf Amazon. Dafür kann Bouchards Nachfolgeprojekt „Central Park“ im Abo von Apple gestreamt werden. (and)Amazon

Undone

Die Realität ist ein wackliges Gebilde. Für Alma (Rosa Salazar), die inmitten einer psychischen Krise (scheinbar) Besuch von ihrem toten Vater (Bob Odenkirk) bekommt, der sie lehrt, Raum und Zeit zu kontrollieren, zersplittert die Welt und fügt sich ständig neu zusammen – wie die surrealen Bilder dieser wunderschön rotoskopierten (also anhand leibhaftiger Schauspieler digital nachgezeichneten) Serie von den „BoJack Horseman“-Machern. (kanu) Amazon

Close Enough So extrem ist das Jungeltern-Dasein

Josh und Emily sind Eltern einer Fünfjährigen – und müssen erkennen, dass ihre Jugend langsam vorbei ist und andere jetzt die „Coolen“ sind. Die kurzen Episoden beginnen stets lebensnah, wachsen sich dann aber durch absurden Humor und extreme Wendungen zum bizarren Abenteuer aus: Dann finden sich die Jungeltern in einem Nachtklub wieder, in dem über 30-Jährige rituell ermordet werden, oder schlagen sich mit einer Trickbetrügerin rum, die systematisch überforderte Elternsprecher verführt. Ein Spaß! (kanu)Sky

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2021)

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