Die Linse der Pandemie

Herrlich altmodisch, aber ohne Sentimentalität: Thomas D. Trummers Bildbetrachtungen.

Bedeutend ist sie, aber wer hätte bisher ihr Motiv als memorabel empfunden? Die erste Fotografie der Welt zeigt eine unscharfe Dachlandschaft, grobkörnige Flächen in Schwarz und Weiß, die sich erst in unseren Hirnen zu etwas fügen, das uns bekannt erscheint. 200 Jahre später (er)kennen wir ihn nur allzu gut: den Blick aus dem Fenster. 1826 war es der aus dem Arbeitszimmer des Erfinders der Heliografie, Joseph Nicéphore Niépce aus seinem „Homeoffice“, wie Thomas D. Trummer uns die Rutsche ins Heute legt.

So direkt ist der Kunsthistoriker, seit 2015 Direktor des Kunsthaus Bregenz, nicht immer in diesem zauberhaft altmodischen Büchlein, in dem er sein visuelles Tagebuch der ersten Monate der Pandemiezeit, sein imaginäres Museum in Krisenzeiten zusammengefasst hat. Nicht nur äußerlich verspricht es sensitiven Griff und Halt (blauer Leineneinband!), auch inhaltlich nimmt es uns tröstend bei der Hand. Allein diese Form der klassischen Bildbetrachtung kann einen beruhigen – sie überfordert nicht mit kunsthistorischen Abhandlungen, sondern akzeptiert unsere Netflix-Aufmerksamkeitsspanne, ohne sie allzu offensichtlich zu bedienen. 61 Folgen sind es noch dazu, was für eine rätselhafte Zahl, gerne würde man an eine Geschichte hinter ihr glauben, an ein verstecktes Detail, das man bisher übersehen hat, wie die Blaumeise auf dem obersten Ästchen des Zitronenbaums im „Paradiesgärtlein“ des Oberrheinischen Meisters ganz am Anfang des Buches. Aber wahrscheinlich ist diese Zahl nur Zufall.

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