Politische Gegner werden festgenommen, eine der stärksten Oppositionsparteien verboten, Frauenrechte aufgekündigt. Ist das die Vorbereitung auf eine vorgezogene Neuwahl?
Istanbul. Für die Opposition in der Türkei kommen die Hiobsbotschaften Schlag auf Schlag. Am frühen Sonntagmorgen nahm die Polizei im Parlamentsgebäude von Ankara einen prominenten Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdoğan fest. Der Menschenrechtler Ömer Faruk Gergerlioğlu wurde im Schlafanzug abgeführt und durfte nicht einmal seine Schuhe anziehen. Am Vortag verkündete Erdoğan den Ausstieg der Türkei aus dem Frauenrechtsabkommen des Europarates, kurz zuvor hatte er das Verbot der Kurdenpartei HDP eingeleitet.
Der Präsident plant nach Einschätzung von Beobachtern vorgezogene Neuwahlen. Erdoğan-Kritiker werfen der EU eine Beschwichtigungspolitik vor, die Erdoğan zu Repressionen ermutigt. Denn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte vergangene Woche in einer Videokonferenz bessere Beziehungen in Aussicht gestellt. Am Wochenende verurteilte freilich von der Leyen den Austritt aus der Konvention, die Gewalt gegen Frauen in der Familie verhindern soll.