Kunst

Das kulturelle Erbe Mittelasiens

Die Tempelanlagen von Tabo gehören für die Forscherin zu den stärksten Eindrücken ihrer Laufbahn.
Die Tempelanlagen von Tabo gehören für die Forscherin zu den stärksten Eindrücken ihrer Laufbahn. Getty Images
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Deborah Klimburg-Salter setzt sich weltweit für die Erhaltung und Vermittlung des kulturellen Erbes ein. Dafür erhielt sie kürzlich den Wilhelm Hartel-Preis.

Die Gesprächspartnerin schweigt längere Zeit. Die Frage nach den stärksten Eindrücken ihrer wissenschaftlichen Laufbahn kann Deborah Klimburg-Salter angesichts ihrer jahrzehntelangen Forschungen in Afghanistan, Pakistan, Tibet und Indien nicht so leicht beantworten. „Die Tempelanlagen von Tabo“, sagt sie schließlich. Die in 3220 Metern Höhe in Nordindien gelegene buddhistische Klosteranlage wurde 996 gegründet, sie bewahrt bis heute einzigartige Wandmalereien des 10. und 11. Jahrhunderts und zählt als lebendiges geistiges Zentrum zum nationalen Kulturgut Indiens.

Deborah Klimburg-Salter wurde am 4. März von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) mit dem Wilhelm-Hartel-Preis ausgezeichnet. Die „Doyenne der asiatischen Kunstgeschichte hat ihr Fach an der Uni Wien zu weltweitem Ansehen geführt“, so die ÖAW. In ihrem aktuellen durch den FWF Wissenschaftsfonds und die ÖAW geförderten Projekt erforscht die emeritierte Universitätsprofessorin (Institut für Kunstgeschichte, Uni Wien) die Kunst- und Kulturgeschichte der Shahi-Königreiche auf den Gebieten des heutigen Afghanistans, Pakistans und Nordindiens. „Die Klöster beeinflussen weiterhin die kulturelle Identität der lokalen Gemeinschaften“, sagt sie.

Für ein breites Publikum

Ziel der interdisziplinären Forschung ist die Dokumentation und Erforschung des materiellen kulturellen Erbes dieser Gebiete. Die daraus entstehende Datenbank soll nicht nur die Zugänglichkeit der Ressourcen ermöglichen, sondern auch ein breiteres Publikum erreichen und so die aktuellen Probleme dieser Gebiete (unter anderem in Gefahr durch militärische Konflikte) ansprechen.

Über die „Shahi-Kingdoms“ (7. bis 10. Jhdt.) erfährt ein österreichischer Gymnasiast höchstwahrscheinlich nichts. Dabei sicherte diese mächtige Konföderation in ihrer Zeit die berühmten Seidenwege und ermöglichte so den wichtigen Austausch von Gütern und Ideen in einer Zeit intensiver Konflikte und historischer Veränderungen. Sie selbst sei in ihren frühen Studienjahren in Paris auf die Kunst Afghanistans und Pakistans gestoßen, sagt Deborah Klimburg-Salter. „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ Diese außerordentlich schöne, vielfältige Kunst habe sie als eine Mischung der indischen mit der graeco-römischen Kunst erlebt. Die französische kunsthistorische und archäologische Forschung ist damals wie heute in enger Verbindung zu Afghanistan gestanden. Nach einem mehrjährigen Studienaufenthalt in Kabul setzte Klimburg-Salter ihr Studium auch in den USA fort, wo sie schließlich an der Harvard University promovierte.

Weltkulturerbe sichern

Ihr Forschungsinteresse galt damals dem buddhistischen Komplex von Bamiyan mit seinen berühmten kolossalen Buddha-Statuen, die im Jahre 2001 von den Taliban gesprengt wurden. Seit dieser Zeit beteiligt sie sich aktiv mit der Unesco an der Sicherung dieser einzigartigen archäologischen Struktur. Seit 2003 engagiert sich die österreichische Wissenschaftlerin mit internationaler Unterstützung außerdem bei der Wiederbelebung des Nationalmuseums in Kabul. Seit 2005 führt sie erfolgreich ihr „Kabul Museum Project, Univ. Wien“ (gefördert von der deutschen Gerda-Henkel-Stiftung), an dem auch das Kunsthistorische Museum Wien (KHM), die ÖAW und die Kyoto University beteiligt sind.

In Österreich ist die Forschung im südostasiatischen Raum durchaus präsent. So kooperiert Klimburg-Salter seit Jahrzehnten mit dem auf dem Gebiet der orientalischen Münzkunde versierten Michael Alram. Seit 1987 war Alram, direkter Nachfolger des international bekannten Wiener Numismatikers Robert Göbl (1919–1997), im Münzkabinetts des KHM tätig, von 2008 bis 2020 als dessen Direktor. Seit 2013 ist Alram auch Vizepräsident der ÖAW.

Im Jahr 2006 entstand auf Klimburg-Salters Initiative die fakultätsübergreifende Forschungs- und Archivierungsplattform Cirdis (Centre of Interdisciplinary Research and Documentation of Inner and South Asian Cultural History). „Die Presse“ zeichnete sie bereits 2007 als Österreicherin des Jahres in der Kategorie Forschung aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2021)

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