Alec Soth fotografierte für eine Serie verschiedene Paare. Hier: „Tricia und Curtis“, Canada, 2005.
Texte

Peter Rosei: Und dann plötzlich, die Liebe

Man könnte behaupten, dass auch der Liebesmarkt nur ein Markt unter Märkten ist. Auf Märkten heißt es aber nicht verliebt, sondern vor allem clever zu sein, mit anderen Worten, ganz bei sich. Das ist aber keine gute Voraussetzung, um sich glücklich und frisch zu verlieben.

Was oder wen meinen wir denn, wenn wir sagen: Ich liebe dich? In der Anschauung der oder des so Angesprochenen schauen wir doch durch sie/ihn durch in die große Leere, die sich hinter ihr/ihm auftut, sie/er taucht vor uns auf in jener fahlen, grenzenlosen Ebene, wie sie etwa Dalí in seinen Bildern so oft gemalt oder gezeichnet hat. Die Geliebte wird uns im Moment – und vielleicht lieben wir sie deshalb so sehr – zum Garanten dafür, dass wir nie mehr ganz verlassen sein werden. Wir müssen dafür allerdings auch etwas hergeben, uns selber ganz und gar. So heißt es denn bei Shakespeare, der in „Romeo und Julia“ ein wahres Feuerwerk um Begriff und Realität der Liebe abbrennt: „Je mehr ich gebe, je mehr hab' ich“ oder auch „Liebe wagt, wo Liebe irgend kann“. Ja freilich, möchte man da ausrufen: Wo man derart gewinnen kann, setzt man alles ein. Ich möchte so weit gehen zu sagen: Nur zu viel ist genug! – Dieses eher abschreckende Motto punkto Liebe trifft öfter zu, als man glauben möchte, mit all den schlimmen Folgen, die jedes Ungleichgewicht gern zeitigt, sei es in der Physik, der Sozietät oder eben zwischen Liebenden.

An Sätzen wie „Liebe macht blind“ oder „Liebe versetzt Berge“ ist ja auffällig, dass sie bloß Wirkungen der Liebe beschreiben, aber nicht das Phänomen selbst. Liebe ist ein außerordentlicher Gemütszustand, so viel steht fest. Wenn auch ihr Gegenteil, ist doch der Hass Anrainer der Liebe. Hass oder Liebe – fast ist es dieselbe körperliche Sensation: Die oder der Geliebte füllt geradeso die ganze Welt aus wie die oder der Verhasste.

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