LITERATUR

Im Machtrausch der Visionen

Sophie Reyer 1431 Roman. 240 S., geb., € 22 (Czernin Verlag, Wien)
Sophie Reyer 1431 Roman. 240 S., geb., € 22 (Czernin Verlag, Wien)
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Eine Heiligenlegende? Keineswegs! Sophie Reyer lässt in ihrem Roman Johanna von Orléans in neuem Licht erscheinen.

Die Darstellungen Jeanne d'Arcs, Johanna von Orléans, in Literatur, Musik, bildender Kunst und Film aufzulisten ergäbe einen eigenen Beitrag. In Frankreich ist sie Nationalheldin, in der katholischen Kirche wurde sie als Märtyrerin heiliggesprochen. Wenn Sophie Reyer in ihrem Roman „1431“ das Leben und Schicksal der Johanna von Orléans bearbeitet, dann darf man durchaus skeptisch sein: Wie kann man diesem Stoff noch Unbekanntes abringen? Spätestens seit der Moderne steht jede Neufassung vor einem Problem: Johanna stammte aus einer Bauernfamilie. Während der Wirren des Hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England insistierte sie erfolgreich, dem Thronanwärter – den späteren Karl VII. – zum Sieg zu verhelfen. Johanna war in Reit- und Waffenkunde und in strategischer Kriegsführung völlig unerfahren. Sie berief sich hingegen auf Visionen – die heilige Katharina und Margareta, der Erzengel Michael, ja, Gott selbst hätten zu ihr gesprochen und sie auf ihre Mission vorbereitet.

Wie geht man in einer aufgeklärt-rationalen Zeit damit um? Sophie Reyers Roman hat 21 Kapitel (und einen Epilog). Jedes Kapitel beschreibt zuerst die Zeit des Prozesses, die die englische Kriegspartei nach ihrer Festnahme nutzten, um sie als unbelehrbare Häretikerin zum Tod auf dem Scheiterhaufen zu verurteilen. Sodann zeichnet die Autorin den Werdegang Johannas bis zum Urteil auf. In den Text werden Johannas Visionen eingeflochten. Und dies sehr geschickt, denn die himmlischen Offenbarungen werden von einer personalen Erzählstruktur geleitet, will heißen: Die Erzählerin wertet nicht, sondern berichtet aus der Perspektive Johannas. Und dennoch wertet Sophie Reyer – allerdings allein durch ihre literarische Sprachführung! Da heißt es: „Gott stellt den Gleichklang der Welt wieder her, mild ist der Erdenball geschaukelt aus Meer, so spricht Feuer mit Wasser und Wind mit Welt.“

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