Einkaufen: "Konsumenten sind völlig überfordert"

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Das Angebot ist zu groß - das überfordert die Konsumenten und habe den Kunden die Lust am Einkaufen verdorben, meint Consulter Gerhard Vater bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

WIEN (cim). Welcher Käse schmeckt am besten? Ist der teuerste auch der beste? Woher kommt die Milch? Und die Liste an Fragen, die man sich am Supermarktregal stellen kann, ist noch viel länger.

„Die Konsumenten sind völlig überfordert“, meint Consulter Gerhard Vater bei einer Veranstaltung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Zu groß ist das Angebot, zu viele Entscheidungen wollen (richtig) getroffen werden, zu viele Infos müsste man dazu besorgen. Das habe den Kunden die Lust am Einkaufen verdorben. „Die Händler arbeiten mit dem Erfolgskonzept der vergangenen 50 Jahre“, das passe nicht mehr, so Vater.

Nach dem Zweiten Weltkrieg mangelte es an den Waren, die Menschen sehnten sich nach Selbstbestimmung. Also boten ihnen die Händler immer mehr Produkte, die man in Selbstbedienung kaufen konnte. Irgendwann gab es genug Waren und Auswahl – die Händler aber bleiben beim alten Konzept: mehr desselben. Vaters Gegenstrategie: „Wir müssen uns von der Logik, immer noch mehr sei besser, verabschieden“.

Heute mangle es nicht an Waren, sondern an Beziehungen. Der Konsument sehne sich nach Einfachheit, die Händler sollten für ihre Kunden die Auswahl übernehmen und sich besser auf die Lebensumstände einstellen: etwa, indem man zu Mittag jenen Kunden, die sich schnell ihr Mittagessen kaufen, eine Expresskassa anbietet.

„Kulturelle Bewegung“ im Netz

Die Überforderung durch Überfluss sei, so Vaters These, auch ein Motiv zur Schnäppchenjagd. Wenn alle anderen Kriterien überfordern, sei der Preis das einfachste Entscheidungskriterium.

Der Anteil der Schnäppchenkäufer steigt weiter. Grund dafür sind auch die massiven Aktionen. Laut GfK machen Sonderangebote bei jedem vierten Haushalt bereits die Hälfte der Ausgaben im Lebensmitteleinzelhandel aus. Bei Aktionen sei der heimische Handel top, mehr Angebote gebe es nur in Großbritannien, so GfK-Experte Marcus Jurman. 80Prozent der Konsumenten suchen gezielt nach Sonderangeboten.

Die häufigen Aktionen können für die Supermärkte auch zu einer Falle werden: Ein Markenkäufer wird zum Promotionkäufer, später greift er zu Billigmarken, irgendwann geht dieser Kunde zu Hofer oder Lidl, das geht aus der GfK-Konsumentenstudie hervor.

Das Internet verleitet zusätzlich zur Jagd nach niedrigen Preisen. Zwei Drittel der Konsumenten lassen sich bereits vom Internet in Kaufentscheidungen beeinflussen. Bei GfK spricht man von einem „kulturellen Trend“, schließlich wandern Konsumenten in allen Ländern und Bevölkerungsschichten ins Internet, um sich zu informieren und holen sich so die Kontrolle über den Kaufprozess zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2010)

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