Unterwegs

Geld macht gut - wie Italien zeigt

altes Wohnhaus in Verona
altes Wohnhaus in VeronaImago
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Wohlstandverwahrlost? Das gibt es. Wohlstandsveredelt kommt aber weit öfter vor. Das lehren uns auch die Reisen in unser liebstes Urlaubsland.

Als ich noch ein Kind war, galt mir Italien als Land der Räuber und Banditen. In Verona sah ich, wie Ragazzi auf der Vespa einer Touristin im Vorbeifahren die Handtasche von der Schulter rissen („Scippo“ hieß das). Vor der Garage in Venedig musste mein Vater einen Lire-Schein zücken, um trotz des vorgeblichen „tutto completo“ parken zu können. Später raubten sie uns Studenten in Kalabrien am Dorfplatz das Auto aus, und danach blechten wir einigen zwielichtigen Gesellen Lösegeld, um wenigstens unsere Pässe zurückzukriegen. Ich fand das wilde Treiben aufregend. Aber es drängte meinem naiven Gemüt ein moralisches Urteil auf: Die machen da Sachen, die wir zu Hause nicht machen. Es sind schelmische Gauner, aber doch Gauner. Und wir bessere Menschen.

Auf solchen Unsinn kommt heute keiner mehr. Italien ist ein sicheres Reiseland, viele seiner Bewohner folgen Regeln fast fanatisch. Woher der Wandel? Sind die Italiener moralisch integrer als früher? Haben sie sich die Predigten Don Camillos zu Herzen genommen? Brachten Diskurse über zeitgemäßes Wohlverhalten sie zu reuiger Einsicht? Hat es sie sittlich geläutert, die Statuen des toxischen Fra Diavolo stürzen zu sehen, ersetzt durch Denkmäler für die unbekannte Polizistin? Molto banale: Es geht ihnen materiell besser. Sie haben es nicht mehr nötig, ihre Leistungsbilanz gewaltsam aufzubessern. Weltweit zeigt sich: Wohlstand befriedet und zivilisiert. Wie meinen? Ganz verkehrt? Schnöder Mammon, wachsende Wirtschaft seien die Wurzeln allen Übels?

Wir empfehlen eine Studienreise nach Bella Italia.

karl.gaulhofer@diepresse.com


Nächste Woche:
Gabriel Rath

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2021)

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