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Corona-Impfung ist für MS-Patienten empfehlenswert

Christian Enzinger, Universitätsprofessor und Abteilungsleiter an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Graz.
Christian Enzinger, Universitätsprofessor und Abteilungsleiter an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Graz.schoettl
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Multiple Sklerose. Patienten haben kein höheres Risiko. Bei Immuntherapien sollten Hygienemaßnahmen sorgfältig beachtet werden.

Noch mehr als vielen anderen bereitete die Corona-Pandemie Menschen mit Multipler Sklerose Sorgen. Viele fragten sich, ob sie mit ihrer chronisch-entzündlichen neurologischen Autoimmunerkrankung ein besonders hohes Risiko tragen und ob notwendige Immuntherapien in Pandemie-Zeiten zusätzliche Probleme bringen können. „Es gab zu Beginn eine sehr große Verunsicherung, noch dazu, wo keine belastbaren Daten zur Verfügung standen“, erzählt Christian Enzinger, Universitätsprofessor und Abteilungsleiter an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Graz.

Kein erhöhtes Risiko

Mittlerweile kann Entwarnung gegeben werden, beruhigt Enzinger: „Patienten mit Multipler Sklerose haben kein höheres Risiko, es gibt weder eine Übersterblichkeit noch eine erhöhte Empfänglichkeit für Covid-19.“ Das zeigen viele Daten, die in schwer von der Pandemie betroffenen Regionen Italiens und den USA erhoben wurden.
Auch Zahlen aus Österreich, die die Medizinischen Universitäten in Österreich unter Federführung der MedUni Wien erfasst und analysiert haben, bestätigen diese Schlussfolgerungen: „Von 126 MS-Patienten, die im Vorjahr an Covid-19 erkrankten, wurde bei 87 Prozent ein milder Verlauf festgestellt“, sagt Enzinger. Zwar seien 3,2 Prozent der Erkrankten verstorben, das sei aber darauf zurückzuführen, dass in dieser Gruppe deutlich mehr Menschen mit anderen Risikofaktoren wie Adipositas, höherem Alter oder kardiovaskulären Erkrankungen vertreten waren, betont der Wissenschaftler.

Sehr differenziert wurde analysiert, wie weit Immuntherapien das Risiko einer Covid-19-Infektion beeinflussen. „Natürlich ist etwa bei bestimmten Cortison- und B-Zell-depletierenden Behandlungen ein statisch zweifach erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion gegeben“, sagt Enzinger offen. Aber diese Medikamente setze man ein, um schwere MS-Schübe zu verhindern oder zu behandeln. Deshalb sollte auf eine Therapie keinesfalls verzichtet werden, betont der Mediziner. Die Patienten müssen sich lediglich etwa vier Wochen nach der Behandlung sorgfältig an die üblichen Hygienevorschriften halten, also Kontakte so weit als möglich meiden, Distanz halten und eine FFP2-Maske tragen. „Dann ist man auf sehr sicherem Terrain“, verspricht der Grazer Universitätsprofessor.


Abgesehen von solchen im Zusammenhang mit Immuntherapien stehenden Vorsichtsmaßnahmen sollten MS-Patienten aus Angst vor einer Infektion die Selbstisolation nicht übertreiben, sagt Enzinger: „Immer wieder haben Patienten auf Therapien- und Rehabilitationsmaßnahmen verzichtet, davon ist unbedingt abzuraten.“ Die Folgen können sowohl physische als auch psychische Instabilitäten sein. „Die Reha-Kliniken haben schon am Anfang der Pandemie schnell reagiert und geeignete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Diese sind jetzt wieder im Vollbetrieb und das Angebot sollte von den Patienten genutzt werden.“ Gleiches gelte für notwendige Ambulanz- und Arztbesuche.

Keine negativen Effekte

Empfehlenswert für MS-Patienten sei auf jeden Fall eine Impfung gegen Covid-19. Universitätsprofessor Enzinger weiß, dass viele Betroffene Ängste haben, eine Impfung könne einen Schub auslösen oder die Impfantwort im Zusammenhang mit einer Immuntherapie herabsetzen. „Alle diese Sorgen sind unbegründet“, betont er. Die bei uns zugelassenen Corona-Impfungen – und zwar sowohl die mRNA- als auch die Vektorimpfstoffe – seien konzeptuell Totimpfstoffe,
argumentiert der Universitätsprofessor, und können unbedenklich eingesetzt werden. In Israel wurden die Auswirkungen der Impfung auf MS-Betroffene sehr genau beobachtet und es habe keine negativen Effekte gegeben, erläutert Enzinger. „Vor allem aber macht eine Impfung gegen Covid-19 für MS-Patienten besonders Sinn, denn damit lasse sich das Risiko einer schweren Infektion, die mit einem längeren Aufenthalt auf einer Intensivstation, Sauerstoffbeatmung und möglichen Langzeitfolgen verbunden ist, minimieren.“

Zur Person

Christian Enzinger studierte Humanmedizin in München und an der Universität Graz und absolvierte eine Ausbildung zum Facharzt für Neurologie.

2010 wurde er zum Assoziierten Professor der MedUni Graz ernannt, 2021 zum Professor für das Fach „Neurologie“ berufen.

Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Multiple Sklerose und Schlaganfall. Außerdem leitet Enzinger die Multiple Sklerose Spezial-Ambulanz der MedUni Graz.


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