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Konzernsteuern werden transparent

Unter portugiesischem EU-Vorsitz kommt Bewegung in das Thema Steuertransparenz.
Unter portugiesischem EU-Vorsitz kommt Bewegung in das Thema Steuertransparenz. [ Franca/picturedesk.com ]
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Ab 2023 sollen Konzerne in der EU öffentlich machen, wie viel Steuern sie in jedem Land zahlen. Das soll Einblick in Steuersparmodelle geben. Doch es hagelt Kritik von allen Seiten.

Große Konzerne in der Europäischen Union müssen voraussichtlich ab 2023 öffentlich machen, wie viel Steuern sie in jedem Staat zahlen. Von diesen neuen Regeln, auf die sich Vertreter der EU-Institutionen jetzt nach fünf Jahren Streit geeinigt haben, erhoffen sich Befürworter einen echten Fortschritt gegen gewitzte Steuersparmodelle mancher Firmen. Aber wie viel dieses öffentliche „Country-by-Country-Reporting“ wirklich bringt, ist umstritten.

In der EU hat Portugal, das derzeit den Vorsitz der 27 Staaten führt, den Knoten für das seit 2016 debattierte Projekt durchschlagen. Erst organisierte das Land eine Mehrheit im EU-Ministerrat – übrigens ohne Deutschland, wo sich Finanz- und Wirtschaftsministerium nicht einig sind. Und am Dienstagabend schaffte Portugal dann auch die Einigung mit Vertretern des Europaparlaments.

Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira erinnerte anschließend noch einmal an die beiden Hauptargumente für die neuen Regeln: Schätzungen zufolge verlören die EU-Staaten durch Steuervermeidung großer Firmen jährlich mehr als 50 Mrd. Euro. Und gerade jetzt, nach der schweren Pandemie-Krise, gelte: „Es ist unsere Pflicht, sicherzustellen, dass alle wirtschaftlichen Akteure ihren fairen Anteil zur wirtschaftlichen Erholung beitragen.“

Einblick für alle

Das Rezept lautet nun also: Multinationale Unternehmen mit weltweit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz müssen nicht nur den Finanzämtern, sondern auch der Öffentlichkeit Einblick geben. In einem länderbezogenen Bericht sollen sie unter anderem die Nettoumsätze, Gewinn vor Steuern und die tatsächlich gezahlten Ertragssteuern veröffentlichen. Auch Mitarbeiterzahl und Tochterfirmen sollen transparent werden. Die Daten sollen für alle EU-Staaten aufgeschlüsselt werden, ebenso für die Staaten auf der schwarzen und der grauen EU-Liste der Steueroasen.

Das würde Einblick geben, wie Steuersparmodelle funktionieren. Einige große Unternehmen nutzen Ableger und komplizierte Firmengeflechte, um Gewinne in Länder mit möglichst niedrigen Steuersätzen zu verschieben und so Steuern zu vermeiden. Das geschieht innerhalb der EU, aber auch weltweit.

An dieser Stelle haken die Kritiker ein. So beklagt unter anderen Transparency International, dass die neuen EU-Vorgaben nicht weltweit gelten, sondern nur für EU-Länder und die von der EU benannten Steueroasen. Das lasse zu viele Schlupflöcher und mache das öffentliche Country-by-Country-Reporting letztlich zahnlos. Die Entwicklungsorganisation Oxfam argumentiert ähnlich. Der Tenor lautet: „Nehmt die Wirtschaft endlich härter ran.“

Der Bundesverband der Deutschen Industrie argumentiert aus der Gegenrichtung. Die Einigung über die „öffentliche Preisgabe sensibler Unternehmensdaten ist ein harter Schlag für den Wirtschaftsstandort Europa“, sagte der Hauptgeschäftsführer des BDI, Joachim Lang. Nun drohten erhebliche Wettbewerbsnachteile. Denn Einblicke in betriebswirtschaftliche und steuerliche Daten ließen Rückschlüsse auf Kostenstrukturen, Preispolitik und Gewinnmargen zu.
Nach früheren Angaben des BDI sind 1200 deutsche Unternehmen betroffen. Appelle des Verbands an die Regierung, das zu verhindern, fruchteten allerdings nicht. Mangels Einigkeit enthielt sich Deutschland im Frühjahr im Ministerrat.

Die Einigung von Unterhändlern der EU-Institutionen muss von diesen noch formal bestätigt werden, erst dann können sie in Kraft treten und binnen 18 Monaten umgesetzt werden.
Der deutsche Finanzminister und Vizekanzler, Olaf Scholz, rechnet indes beim G7-Finanzministertreffen in London mit Rückenwind für eine weltweite Steuerreform. Unter dem Dach der Industriestaaten-Organisation OECD streben seit Längerem knapp 140 Länder eine Steuerreform mit zwei Säulen an, einer globalen Mindeststeuer und einer neuen Form der Besteuerung digitaler Dienstleistungen. Für die Mindeststeuer hatten die USA zuletzt 15 Prozent vorgeschlagen.
„Es ist auf alle Fälle ein großer Fortschritt, dass die amerikanische Regierung eine Marke gesetzt hat mit 15 Prozent plus X“, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Es brauche aber noch eine Lösung bei der Besteuerung der großen digitalen Plattform-Unternehmen. (ag.)

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