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Home-Office wird reihum zur Normalität

Vier von fünf Beschäftigten, die bisher regulär im Büro arbeiteten, wollen künftig zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit im Home-Office verbringen.
Vier von fünf Beschäftigten, die bisher regulär im Büro arbeiteten, wollen künftig zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit im Home-Office verbringen. imago images/Westend61
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Die IT-Branche, Autokonzerne und sogar die Bahn: Viele Konzerne bieten Mitarbeitern mobiles Arbeiten an. Auch nach der Pandemie.

München/Wolfsburg. Etliche deutsche Unternehmen haben ihren Mitarbeitern flexiblere Arbeitsmodelle für die Zukunft zugesichert. Einige gehen noch weiter und wollen das Home-Office dauerhaft als neue Normalität etablieren. Zu sehen ist das besonders in der IT-Branche. So versucht Europas größter Softwarekonzern SAP, der seinen Beschäftigten schon vor der Pandemie die Möglichkeit von bis zu vier Home-Office-Tagen pro Woche eingeräumt hat, nochmals an Flexibilität zuzulegen.

„Bei den meisten SAP-Mitarbeitern spielt es keine Rolle, von wo aus sie arbeiten. Wenn es die Tätigkeit nicht zwingend verlangt, an einem bestimmten Ort präsent zu sein, haben die Mitarbeiter bei der Wahl ihres Standorts alle Freiheiten“, sagt Cawa Younosi, der als Deutschland-Personalchef bei dem Konzern für rund 25.000 Beschäftigte zuständig ist.
Noch etwas weiter geht das IT-Unternehmen Hewlett Packard Enterprise (HPE). Bei der US-Firma, dessen deutscher Ableger in Böblingen rund 2000 Mitarbeiter beschäftigt, wird das Home-Office generell zum neuen Standard-Arbeitsort für die meisten Mitarbeiter erklärt. Sofern es die Tätigkeit erlaubt, sollen die Beschäftigten künftig möglichst immer von daheim arbeiten, wenn sie nicht gerade unbedingt im Büro anwesend sein müssen. Sie müssen dieser Umstellung laut HPE vorab jeweils zustimmen. Im Zuge des Konzepts sollen auch die Büros optisch umgestaltet werden – zu Orten „der Begegnungen und des Austauschs“, wie es heißt.

„Man geht dort also vor allem hin, um an Besprechungen, Team-Meetings, Workshops, Trainings oder Feiern mit Kollegen, Kunden und Partnern teilzunehmen“, sagt ein HPE-Sprecher. Man wisse aus Mitarbeiterumfragen, dass ortsunabhängige Arbeit von einer großen Mehrheit nicht nur sehr geschätzt werde, sondern obendrein auch zu einer höheren Produktivität führe.
Der Wunsch nach flexibleren Modellen ist in der Arbeitnehmerschaft ausgeprägt. Vier von fünf Beschäftigten, die bisher regulär im Büro arbeiten, wollen einer Erhebung des Beratungsunternehmens EY zufolge künftig zumindest einen Teil ihrer Arbeitszeit im Home-Office verbringen. 38 Prozent möchten pro Woche nur noch drei- bis viermal, 36 Prozent nur noch ein- bis zweimal ins Büro.

Zu Hause zufriedener

Hannah Schade vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund führt das auch auf eine gestiegene Job-Zufriedenheit der meisten Arbeitnehmer im Home-Office zurück. Das liege zu einem Großteil daran, dass die Menschen sich ihre Arbeit daheim besser einteilen könnten als im Büro. Zudem sende eine Firma durch freimütige Home-Office-Angebote Signale des Vertrauens und der Wertschätzung.

Längst nicht nur in der IT-Welt setzt sich das Home-Office dieser Tage durch. Auch in der bei Arbeitszeitmodellen mitunter als gestrig verschrienen Autobranche bewegt sich einiges. Beim Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche können die Mitarbeiter beispielsweise künftig an bis zu zwölf Tagen im Monat mobil arbeiten, wenn sie nicht gerade in Bereichen wie der Produktion tätig sind. Auch bei Porsches Mutterkonzern Volkswagen gibt es derzeit Überlegungen, die Home-Office-Möglichkeiten auszuweiten.

In anderen Branchen wird das ähnlich gesehen. Die Deutsche Bahn teilt mit, Ziel sei es, mobiles Arbeiten dort möglich zu machen, „wo es die bestehenden Arbeitsanforderungen erlauben“. Beim Technologiekonzern Siemens soll das mobile Arbeiten laut einer Sprecherin dauerhaft als Standard etabliert werden – mit dem Ziel, dass alle Beschäftigten weltweit im Schnitt stets zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können. Und zwar immer dann, „wenn es sinnvoll und machbar“ sei.

Ergebnis, nicht Präsenz zählt

Auch beim Bosch-Konzern soll es mehr hybride Arbeitsmodelle – also eine Mischung aus Büroarbeit und mobilem Arbeiten – geben. „Im Fokus steht das Ergebnis, nicht die Präsenz“, sagt Arbeitsdirektorin Filiz Albrecht. Ein Sprecher ergänzt, ungeachtet aller Vorteile im Home-Office hätten interne Umfragen aber auch gezeigt, dass die Nähe und der direkte Austausch unter den Kollegen zurzeit fehlten.

Gewerkschaften und Arbeitnehmervertreter sehen den Hype ums Home-Office nicht unkritisch, zumal das Arbeiten von zu Hause leichter zu unbezahlten Überstunden führen könne. Auch könnten neue Home-Office-Modelle zu verstärkten Einsparungen bei Firmenräumlichkeiten führen, was vielen Mitarbeitern bei Bedarf den Weg zurück ins Büro erschweren könnte. Obendrein lässt sich auch der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter im Home-Office schlechter sicherstellen. Denn wer wann und wie lang arbeitet, lässt sich bei mobiler Arbeit oft gar nicht mehr überprüfen. (ag.)

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