Forschung & Wirtschaft: Von Technik bis Psychologie

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In Unternehmen besonders gefragt sind Wissenschaftler mit starkem Bezug zur Praxis. Und mit der Bereitschaft zu interdisziplinärem Arbeiten. Vor allem Techniker fehlen.

Wenn über Wege aus der Krise geredet wird, fällt meist sehr bald das Schlagwort Innovationen. Neue Entwicklungen könnten ein Anstoß für Wachstum sein – aber leider kostet Forschen Geld. Und wenn Unternehmen sparen müssen, tun sie es zwangsläufig auch in diesem – noch dazu personalintensiven – Bereich.

Inzwischen mehren sich die Rufe nach einem Umdenken. Rudolf Lichtmannegger aus der Stabsabteilung Wirtschaftspolitik der Wirtschaftskammer verweist auf die FTI-Strategie des Bundes (FTI steht für Forschung, Technologie, Innovation). Sie wurde im November 2009 gestartet und „setzt sich zum Ziel, vom Technologienehmer an die Gruppe der Technology Leader aufzuschließen sowie Forschungsleistung und Forschungsintensität zu erhöhen“. Das setze zwingend eine höhere Beschäftigung im Forschungs- und Entwicklungsbereich und den Ausbau der F&E-Infrastruktur voraus.

Mangel an Technikern

Der große Boom dürfte noch nicht eingesetzt haben – trotzdem gibt es Bereiche, in denen starke Nachfrage nach wissenschaftlichen Mitarbeitern herrscht. Vor allem Techniker fehlen: Gefragt sind etwa Wirtschaftsingenieure, IT-Spezialisten und Maschinenbauingenieure. Große Chancen für angehende Wissenschaftler gibt es zurzeit in den Wachstumsfeldern Umwelt- und Klimatechnologie, auch interdisziplinäre Forschungsaufgaben rücken immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Letzteres betont auch Johann Schrammel, HCI Senior Researcher bei CURE (Center for Usability Research and Engineering): „Beispielsweise haben Forschungen, die sich mit der Mensch-Computer-Interaktion beschäftigen, durch die rasante technologische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte enorm an Bedeutung gewonnen“, sagt er. Sein Institut, das sich unter anderem mit diesem Thema befasst, sei innerhalb von zehn Jahren von fünf auf rund 40Mitarbeiter angewachsen. Das hänge auch mit dem immer anhaltenden Boom der Informations- und Kommunikationstechnologien zusammen: „Man braucht sich nur die Erfolgsgeschichten von Social-Network-Sites anzusehen. Neben der technischen Funktionalität wird die User-Experience, also das Erlebnis und die Erfahrung beim Interagieren mit Computern, immer wichtiger.“

Hohe Anforderungen

Die Qualifikation, die man für eine Karriere in der Forschung braucht, besteht aber nicht nur in der entsprechenden Ausbildung. Vieles hängt von der Persönlichkeit ab – und von den Vorstellungen, die man von „Work-Life-Balance“ hat. Geregelte Arbeitszeiten gibt es selten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, ist oft nicht leicht.

Auch fachlich sind die Anforderungen naturgemäß hoch: „Wir sind ein sehr interdisziplinäres Team, bestehend aus Forscherinnen und Forschern mit sozialwissenschaftlicher, technischer oder humanwissenschaftlicher Ausbildung“, so Schrammel. Gefragt seien Leute, die die grundlegenden Werkzeuge und Methoden gut beherrschen: Design von wissenschaftlichen Untersuchungen, statistische Auswertungsmethoden, qualitative Erhebungs- und Analyseverfahren, Sampling-Prinzipien, Interaktionsdesign und vieles mehr. Speziell im Bereich Human-Computer-Interaction seien vor allem Absolventen mit sehr guten Kenntnissen in Kognitions- und Wahrnehmungspsychologie, Informationsverarbeitung und Interface Design interessant. Hilfreich seien auch Kenntnisse spezifischer Methoden und Techniken, wie Personas, Laddering-Interviews oder Lead-User-Workshops. Eine gewisse Affinität sowie ein Grundverständnis für den IT-Bereich sollte man ebenfalls mitbringen.

Neben dem Studium forschen

Vermittler zwischen Forschung und Wirtschaft sind Einrichtungen wie das Fraunhofer Institut. Dessen Geschäftsführer Wilfried Sihn berichtet, dass drei Viertel seiner Mitarbeiter im Forschungs- und Entwicklungsbereich direkt von der Universität kommen: „Sie arbeiten schon während ihres Studiums mit uns zusammen, schreiben Diplom- und andere Arbeiten. Wir haben dadurch die Chance zu selektieren und herauszufinden, wer sich für die Forschung eignet, und können diese Absolventen dann im Wettbewerb mit Rekrutierungsfirmen anstellen.“ Die restlichen 25 Prozent seiner Mitarbeiter hätten bereits Industrieerfahrung und seien über den üblichen Bewerbungsweg, meist über das Internet, eingestellt worden.

Der Vorteil einer solchen „Zwischenkarriere“ in einem Forschungsinstitut liegt laut Sihn darin, dass, „wer einige Jahre hier gearbeitet und idealerweise promoviert hat, keine Bewerbung mehr zu schreiben braucht“. Adäquate Jobangebote aus der Wirtschaft kämen dann quasi von selbst.

Die Job- und Verdienstchancen in der Forschung können allerdings auch von scheinbar Banalem abhängen: Laut Lichtmannegger kommt es etwa auf die Adresse des Unternehmens an. In Ballungszentren sei man besser dran als in weniger zentralen Lagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2010)

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