Judith Zander: Deutsches Stimmengewirr

Judith Zander Deutsches Stimmengewirr
Judith Zander Deutsches Stimmengewirr(c) dtv Premium
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Am morgigen Montag wird der Deutsche Buchpreis 2010 vergeben. Eine der sechs Listenplatzierten ist Judith Zander mit ihrem Roman "Dinge, die wir heute sagten".

Es ist schwer, in die Köpfe und Gedanken von Judith Zanders Protagonisten hineinzufinden. Die Monologe sind zunächst verwirrend, teils in Plattdeutsch gehalten. Erst nach und nach kommt man in die verschiedenen Sprachstile von Hartmut, Ella, Sonja und dem Chor von Bresekow, diesem kleinen, trostlosen ostdeutschen (und fiktiven) Dorf in Vorpommern, hinein. Wenn man aber einmal begriffen hat, wer zu wem gehört, wer wem nahesteht (Bleistift und Zettel sind hier durchaus hilfreiche Begleiter, um den Überblick zu behalten), dann entwickelt diese Aneinanderreihung von Monologen eine kräftige Sogwirkung, die einen bis zur letzten Seite des fast 500-seitigen Debütromans von Judith Zander zieht. Das anfängliche Stimmengewirr löst sich auf.

Die 30-jährige Zander hat für die „Dinge, die wir heute sagten“ beim Klagenfurter Wettlesen im Juni den 3sat-Preis bekommen. Die „Zeit“ attestiert ihr „ein starkes Debüt“. Im Kern der Handlung steht der plötzliche Tod von Anna Hanske, einer zentralen Dorffigur. Zum Begräbnis reist Tochter Ingrid an, die vor langer Zeit eines Nachts wortlos aus dem Dorf verschwunden ist, im Schlepptau ihr irischer Mann Michael und der gemeinsame Sohn. In den Monologen wird klar, welche Gräben die Bewohner des Dorfes voneinander trennt. In den Köpfen der Alten existiert Deutschland noch immer als DDR. Ein sprachlich vielfältiges Buch, das nicht nur dieser Tage, zum 20.Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung, Freude macht – zumindest, wenn man sich durch die ersten 100 Seiten beißt. awa

Judith Zander: „Dinge, die wir heute sagten“, dtv Premium, 480 S., 17,40€

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2010)

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