Helfer, Käuze, Träumer: Filmväter sind divers

Streamingtipps. Am Sonntag wird der Vatertag begangen. Was Papas wollen, müssen, dürfen, wird im Kino immer wieder neu austariert. Fünf Filme über Vaterfreud und -leid: zum Nachahmen oder Fremdschämen. VON ANDREY ARNOLD UND ISABELLA WALLNÖFER

Höhere Gewalt

Traurig, aber wahr: Während Mütter im Film lang auf ihre Rolle in der Familie reduziert wurden, war bei Vätern oft das Gegenteil der Fall. Meist war der Mann zuvorderst Mann, und dann, wenn er nicht gerade anderweitig beschäftigt war, vielleicht auch noch (Teilzeit-)Papa am Rande. Schwierige Beziehungen zwischen Vätern und ihren Sprösslingen (Stichwort: „Star Wars“) wurden weit öfter in das Laufbild gesetzt als das Vatersein an sich, mit all seinen Freuden, Leiden und Verwirrungen. Dass sich in dieser Hinsicht viel getan hat, liegt auch an der längst erhöhten Bereitschaft des Kinos, männliche Rollenbilder genauer unter die Lupe zu nehmen.

Musterbeispiel: Ruben Östlunds satirisches Drama „Höhere Gewalt“. Ein Ehepaar aus Schweden macht Skiurlaub in Frankreich. Als eine Lawine auf ihre Raststätte zustürzt, ergreift der Paterfamilias die Flucht. Ohne Frau, ohne Kinder. Zum Glück war es falscher Alarm. Doch der Schaden ist angerichtet. Wie geht jetzt noch Vertrauen? Kann dieses Feigheitszeugnis verziehen werden? Kann Papa seine Männlichkeit wiederherstellen? Oder neu ausrichten? Vielleicht, indem er zu seinen Gefühlen steht? Östlund geht diesen Fragen in minutiös getakteten, oft hochkomischen Szenen nach. (and) Mubi

The Road

Väter sind Beschützer, so lautet die Botschaft zahlloser Genrefilme, vom Westernklassiker bis zum Rache-Reißer à la „Taken“. In einer grausamen und gnadenlosen Welt liegt es an ihnen, schutzlose Nachkommen gegen Gefahren und Prädatoren aller Art zu verteidigen, wenn nötig (und es ist in diesen Filmen immer nötig) mit roher Gewalt. Auch John Hillcoats über weite Strecken werkgetreue Cormac-McCarthy-Verfilmung „The Road“ bedient sich dieses Motivs, im Kontext einer verzweifelten Vater-Sohn-Suche nach Überlebensoasen in einer apokalyptisch ausgedorrten Wüstenei. Doch der Film nutzt das Klischee als Sprungbrett für eine Meditation über den existenziellen Wert von Liebe in finsteren Zeiten. (and) Amazon

Pappa ante portas

Vicco von Bülow, 1991Der Einkaufsleiter Lohse geht in Pension. „Da bist du jetzt immer den ganzen Vormittag zu Hause?“, fragt seine Frau. Ja, meint ihr Mann – und am Nachmittag übrigens auch. Seine Erfahrungen als Diplomingenieur möchte der Herr Papa fortan kostenfrei seiner Familie zur Verfügung stellen. Ebenso wie seine Kochkünste: Jetzt gibt es Königsberger Klopse aus der Dose! Kein Wunder, dass der Familienfrieden schon bald in Gefahr ist. Mit gewohnt feinem Humor nimmt Loriot in seinem zweiten Kinomeisterwerk liebevoll, aber punktgenau die vom deutschen Leben geschmiedete Schrulligkeit eines alternden Vaters aufs Korn, und mit ihr die ganze kleinkarierte Mittelschichtsmentalität (nicht nur) seines Landes. (and) Netflix

Fathers & Daughters

Von Gabriele Muccino, 2015Sehr ernst meint es hingegen Gabriele Muccino mit seiner Vater-Tochter-Geschichte. Nachdem die Mutter gestorben ist, wächst Katie allein bei ihrem liebevollen Vater, Jake, auf. Der leidet seit dem Unfall an psychotischen Episoden, die ihn in die Psychiatrie und Kate in die Obhut ihrer Tante bringen. Es beginnt ein erbitterter Kampf um das Kind. Der Film fokussiert in Vor- und Rückblenden auch auf die emotionale Leere der erwachsenen Katie, die mit One-Night-Stands nach verschütteten Gefühlen sucht. Als psychologisches Drama taugt „Väter und Töchter“ dennoch nicht – zu plakativ und oberflächlich ist die Story. Aber es gibt Momente, in denen Amanda Seyfried (Katie) und Russell Crowe (Jake) ans Herz rühren. (i. w.)Sky

Die Vaterlosen

Immer Ärger mit dem Vater haben viele Kinohelden. Mal ist er mit ihnen überfordert. Oder nie wirklich für sie da, wie in etlichen Filmen Steven Spielbergs. Mal ist er eine Spur überfürsorglich, wie Viggo Mortensen in „Captain Fantastic“. Und manchmal ist er einfach ein verantwortungsloser Kerl, wie in Shia LaBeoufs autobiografischem Entwicklungsroman „Honey Boy“ (Sky). Doch damit kann man im schlimmsten Fall umgehen. Die wahre Herausforderung ist die Aussöhnung mit dem Rabenvater, so sie überhaupt möglich ist. Mortensen verhandelt dieses Motiv in seinem Regiedebüt „Falling“, das derzeit bei uns im Kino läuft.

Aber auch heimische Filmkünstler greifen es gern auf. Auf interessante Weise etwa Marie Kreutzer in ihrem ersten Langspielfilm „Die Vaterlosen“. Wobei die Kompetenz des Titelvaters zur Debatte steht. Gespielt wird er (in Rückblenden und auf dem Sterbebett) von Johannes Krisch. Einst Oberhaupt einer Kommune, setzte er viele Kinder in die Welt. Von denen eine Handvoll auf den Bauernhof ihrer Jugend zurückkehren, um vor dem Tod des Erzeugers Antworten auf drängende Fragen zu finden. Während manche den Papa verklären, fühlen sich andere um ein normales Elternhaus beraubt. (and)Flimmit

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2021)

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