Quergeschrieben

Der Fall Leonie: Zweimal Täter-Opfer-Umkehr?

Der Mord an einer 13-Jährigen lässt viel Interpretationsspielraum. Wo der Einzelfall aufhört und das systemische Versagen beginnt, ist schwer zu benennen.

Der grausame Mord an der 13-jährigen Leonie vergangenes Wochenende erschüttert das Land. Ihr wurden Drogen verabreicht, man fügte ihr körperliche und sexuelle Gewalt zu, bevor sie erstickt wurde. Das Mädchen schien einen der Tatverdächtigen – zwei afghanische Staatsbürger, mutmaßlich selbst erst 16 und 18 Jahre alt – gekannt zu haben. So viel ist bekannt. Wie so oft sind Reaktionen und Interpretationen schnell da. Was sagt ein solcher Fall über das Opfer, die Täter, unsere Gesellschaft aus? Wo der Einzelfall aufhört und das systemische Versagen beginnt, ist schwer zu benennen. Nicht alle Fragen, die man sich nun stellt, sind gleich relevant.

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Es ist nur menschlich, dass wir wissen wollen, wie das Mädchen in die Situation geriet. Doch schon verschwimmt, was für den Tathergang relevant ist – wurde sie gezwungen? Ausgetrickst? – und was nicht: „Was tat die junge Tullnerin allein in Wien?“, fragt sich etwa die Gratiszeitung „Heute“. „War sie in schlechter Gesellschaft, wie in Suchtgiftkreisen, unterwegs?“ Auch „Oe24“ titelte ähnlich. Es wird Täter-Opfer-Umkehr betrieben und somit insinuiert, die 13-Jährige habe etwas zu ihrem Leid beigetragen. Vielleicht wird man später Details über das Sozialleben des Opfers erfahren, die etwas darüber aussagen, wie jungen Menschen so etwas zustoßen kann und wo ein Versagen des Systems vorliegt; vielleicht aber auch nicht. Darüber spekuliert wird zu einem viel zu frühen Zeitpunkt.

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